Ein Vampir für gewisse Stunden: Argeneau Vampir 6
anging. „Sind die Würstchen auch gut?”, fragte er.
„Ja”, antwortete sie knapp und mürrisch.
„Davon nehme ich auch einen Bissen”, verkündete Lucian. Dann berichtigte er sich: „Ich wollte sagen: Darf ich davon auch probieren?”
Leigh verzog missbilligend den Mund. Genau das hatte sie befürchtet: Er wollte mehr haben. Am liebsten hätte sie ihn angefaucht, er solle sich eine eigene Portion bestellen, aber er bezahlte schließlich das Frühstück. Sie schnitt ein Stück von einem Würstchen ab und hielt ihm die Gabel hin. Als er das Stück in den Mund nahm, trafen sich ihre Blicke, und aus einem unerfindlichen Grund fühlte sie sich an ihren Traum unter der Dusche erinnert, was ihr einen Schauer über den Bücken jagte.
Sie schluckte und zog die Hand zurück, um sich weiter ihrem Teller zu widmen. „Das ist auch gut.” Lucians Stimme erschien ihr jetzt mehr wie ein verführerisches Schnurren, und abermals bekam sie eine Gänsehaut. „Kann ich noch was davon haben?”
Plötzlich war der Widerwillen wie weggewischt, den sie bei den ersten zwei Bissen verspürt hatte, stattdessen fühlte sie sich jetzt völlig verwirrt. Etwas in seinen Augen hatte sich verändert, das Silber war deutlicher hervorgetreten und wirkte wie geschmolzenes Metall. Sie zwang sich, zur Seite zu schauen, dann räusperte sie sich und schnitt von einem der Würstchen noch ein Stück ab. Diesmal zitterte ihre Hand so sehr, dass der Bissen auf halbem Weg von der Gabel rutschte und auf dem Tisch landete. Nachdem sie beide sekundenlang das Stück Wurst angestarrt hatten, nahm Leigh es hoch, um es an den Tellerrand zu legen, doch da bekam Lucian ihr Handgelenk zu fassen. Er zog ihren Arm zu sich, und dann musste sie atemlos mit ansehen, wie er ihre Finger in seinen Mund schob und ihr das Stück Wurst abnahm.
Sie schloss die Augen in der Hoffnung, die Unruhe in den Griff zu bekommen, die sich in ihr ausbreitete. Doch kaum hatte sie das gemacht, zuckten Bilder durch ihren Kopf, zusammenhanglose Bilder, die sie zeigten, wie Lucian sie küsste, wie er eine Hand in ihrem Haar vergrub und sie sich an ihn drückte.... seine Lippen, die ihre Brustwarze umschlossen, um sanft, aber beharrlich an ihr zu saugen.... ihre nackten Körper wie ineinander verschlungene Marmorstatuen auf schwarzen Satinlaken.... kalte Fliesen in ihrem Rücken, während er in sie eindrang.... Lucian, wie er von seinem Platz aufsprang, Teller und Tassen zu Boden fegte und sie auf die Tischplatte setzte....
„Hier haben Sie noch eine zweite Gabel. Ich schätze, Sie wollen teilen.” Leigh zuckte zusammen und starrte die Kellnerin an, die soeben Lucian eine Gabel hinlegte. Ein Blick auf den Tisch zeigte ihr, dass noch alles dort stand, wo es hingehörte. Sie brauchte ein paar Sekunden, ehe sie zu einem schwachen Lächeln in der Lage war.
„Danke”, sagte sie.
„Möchten Sie noch etwas Kaffee?”, fragte die Frau.
„Ja”, antwortete Lucian, da es Leigh nicht gelingen wollte, die Frage zu erfassen. „Und noch zwei Portionen von dem, was sie bestellt hat.”
Leigh stutzte sowohl wegen seiner auffallend belegten Stimme als auch wegen seiner Bestellung. Seine Augen hatten einen schläfrigen Ausdruck angenommen, aber das Silber leuchtete immer noch deutlich. „Auf diese Weise muss ich Ihnen nicht noch mehr wegessen”, meinte er lächelnd. „Und ich muss auch nicht befürchten, dass Sie mit Ihrer Gabel auf mich losgehen.”
Nachdem die Kellnerin gegangen war, deutete Leigh amüsiert auf die zweite Gabel. „Sie können sich ruhig schon bedienen.” Lucian nahm die Gabel an sich, und Leigh schob den Teller in die Mitte des Tisches, dann machten sie sich beide über das Frühstück her.
Sie aßen in einvernehmlichem Schweigen, wobei Leigh über die sonderbare Erfahrung von vor einigen Minuten nachdachte. Die Bilder wirkten so real wie das, was sie unter der Dusche erlebt hatte. Eigentlich war es verkehrt, sie als Bilder zu bezeichnen, es waren mehr Rückblenden in diesen erotischen Traum.... mit dem Unterschied, dass sie darin nicht auf schwarzem Satin lag, sondern unter der Dusche stand. Es war ein anderer Traum gewesen, doch er hatte nicht weniger realistisch gewirkt. Was genau mit ihr geschah, konnte sie sich nicht erklären, aber da sie so etwas vor Morgans Biss nie erlebt hatte, musste es mit den Nanos zu tun haben. Vielleicht wurden nicht nur ihre Sinneswahrnehmungen dadurch geschärft, sondern sie lösten auch Veränderungen in ihrem Gehirn aus.
Sie
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