Ein Vampir für jede Jahreszeit
Unterfangen noch schwieriger werden. Hier gibt es eine Vielzahl von attraktiven, verdienten Rittern, wie du einer bist, mein Sohn. Wenn du eine gute Partie machen möchtest, solltest du deine Zeit nicht damit verschwenden, mir nachzulaufen.«
Die Worte seiner Mutter verblüfften Jonathan derart, dass er verdattert stehen blieb und ihr tatenlos nachstarrte. Sie marschierte derweil unbeirrt weiter den Korridor entlang.
»Aber was ist mit der Tochter deiner Freundin?«, platzte er heraus. Er hatte sich wieder von seinem Schrecken erholt und eilte ihr nach.
»Was soll mit ihr sein?«
»Wünschst du nicht, dass ich auch sie als Braut in Betracht ziehe?«
»Oh nein. Sie wäre dafür ganz und gar nicht geeignet.«
»Wie bitte?«, keuchte er empört. »Seit fünf Jahren präsentierst du mir eine Tochter im heiratsfähigen Alter nach der anderen und auf einmal gibt es eine, die du nicht …«
»Ich habe dir jede heiratsfähige und dir angemessene Tochter meiner Freunde vorgestellt«, wies sie ihn scharf zurecht. »Jetzt ist keine mehr übrig. Von nun an bist auf dich allein gestellt.«
»Du gibst auf?«, rief er aus und war sich nicht sicher, ob er erleichtert oder beleidigt sein sollte. Zwar missfiel es ihm, von seiner Mutter unablässig potenzielle Bräute vorgeführt zu bekommen, doch ihre Gleichgültigkeit behagte ihm auch nicht recht.
»Aber nein, mein Sohn. Ich werde dich bei der Auswahl unterstützen. Nur helfen kann ich dir bei dieser Unternehmung nicht mehr. Und nun« – sie tätschelte liebevoll sein Arm – »stell den König zufrieden, such dir eine Braut und lass mich zu meinen Freunden aufbrechen.«
Jonathan starrte seine Mutter verdutzt an und registrierte gar nicht, dass sie bereits längst die Hand wieder von seinem Arm genommen hatte und inzwischen damit beschäftigt war, ihr Haar zu richten. Sie putzte sich schon wieder auf! So hatte sie sich seit seines Vaters Tod nicht mehr verhalten. Sie musste etwas im Schilde führen.
Als sich seine Mutter anschickte, weiterzugehen, verkündete er: »Ich glaube, ich werde dich begleiten und mich dieser Tochter deiner Freundin einmal vorstellen.«
»Nein!«, entfuhr es Lady Fairley schrill und sie blieb abrupt stehen. Nie zuvor hatte er sie so aufgewühlt erlebt. Sie fand jedoch schnell die Fassung wieder und das Entsetzen in ihrem Gesicht wich Verärgerung. »Ich meine … wie ich dir bereits erklärt habe, ist sie für dich nicht geeignet.«
»Ach ja?«, entgegnete er misstrauisch. Seiner Erfahrung nach musste eine Frau schon von sehr fraglicher Tugend sein, um in den Augen seiner Mutter als unpassend zu gelten. Zugegeben, zu Anfang war sie bei der Auswahl der für ihn infrage kommenden Bräute noch wählerisch gewesen. Doch nachdem einige Jahre ins Land gegangen waren und er auf ihre Ehepläne nur mit Gleichgültigkeit reagiert hatte – denn was war die Ehe schon im Vergleich zu den Schlachten, die er auf dem Festland ausfocht – war sie immer verzweifelter geworden und hatte ihm so ziemlich jede Frau vorgeführt, die zumindest einigermaßen die nötigsten Voraussetzungen für eine Ehe mit sich brachte. Zu diesen › nötigsten Voraussetzungen ‹ zählten am Ende nicht einmal mehr unbedingt Attraktivität, Charakter oder das Vorhandensein aller gängigen Gliedmaße. Ja, seine Mutter hatte es bis zum Äußersten getrieben. Auf Jungfräulichkeit hatte sie jedoch stets Wert gelegt, denn schließlich wollte Lady Fairley Enkel, die von ihrem eigenen Sohn stammten und nicht von irgendjemand anderem.
»Ist dieses Mädchen etwa freigebig mit ihrer Zuneigung?«, fragte er. Seine Mutter reagierte entsetzt. »Selbstverständlich ist sie das nicht. Elizabeth hat sie anständig erzogen! Das Kind ist unschuldig wie ein Lamm.«
»Aha.« Interessant, welche Vehemenz seine Mutter an den Tag legte. »Ist sie dann vielleicht schon verlobt?«
Sie sah verärgert aus, gab jedoch mit sichtbarem Widerwillen zu: »Nein. Ihr Verlobter wurde von der Pest dahingerafft.«
»Fehlt ihr dann ein Titel oder eine Mitgift?«
Verwundert stellte er fest, dass Lady Fairley schon wieder ärgerlich wurde. »Nein. Ihr Vater war ein wohlhabender Baron und eine beträchtliche Mitgift ist vorhanden.«
»Warum findest du sie dann unpassend?«
»Sie ist …« Auf ihrer Miene zeigten sich erneut Verärgerung und Widerwillen, während sie nach einer Erklärung suchte. Dann bekam er unfassbarerweise zu hören: »Sie ist kräftig.«
»Kräftig?«, wiederholte er lachend.
»Jawohl. Füllig.
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