Ein Vampir ist nicht genug - Roman
zu nutzen, auch wenn es verlockend war. Mein kleiner Ausflug ins Land der Erinnerungen hatte mir wieder viel zu stark bewusst gemacht, wie schmerzhaft es war, gute Leute zu verlieren. Und je länger ich Cole kannte, umso deutlicher wurde mir, dass er zu den guten Leuten gehörte. »Bitte verschwinde einfach, bevor dem Vampir, der Charlie getötet hat, klarwird, dass du zu uns gehörst.«
Er musterte mich eingehend und versuchte, in meinem Gesicht zu lesen. »Okay, ich gehe. Sobald du mir deine Nummer gegeben hast.« Ich wollte anfangen mit ihm zu diskutieren, aber Vayl zog bereits eine unserer Visitenkarten hervor, wie ein Magier sich ein As aus dem Ärmel holt, und gab sie ihm.
Cole las laut: »Robinson-Bhane Antiquitäten. Spezialisiert auf Raritäten aus dem 18. Jahrhundert.« Er warf Vayl einen Blick zu. »Ich schätze, das ist nicht so schwer, wenn man persönliche Erfahrung damit hat.« Vayl zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass ihn nichts überraschen konnte, nicht einmal wenn ein Privatdetektiv, der aussah als wäre er gerade von seinem Surfbrett gestiegen, ihn als Vampir outete.
»Rufen Sie uns an, wenn Sie die Sache mit Amanda Assan geregelt haben«, sagte Vayl nur.
»Werde ich machen«, antwortete Cole und warf mir einen Blick zu, der unmissverständlich klarmachte, dass wir uns wiedersehen würden.
Ich nickte und hoffte dabei, dass er die Visitenkarte in die Hosentasche stecken und dann vergessen würde, wo er sie hingetan hatte. Dann bliebe ihm nach der Wäsche nur ein zerknülltes Stück Papier mit verwaschener Schrift.
Bevor ich realisieren konnte, was er tat, beugte Cole sich vor und stahl noch einen Kuss von mir. »Wir sehen uns«, sagte er, drehte sich um und ging.
»Hoffentlich nicht«, murmelte ich, während ich zusah, wie er durch die Tür nach draußen ging.
»Jasmine …« Vayls Stimme war so sanft und leise, dass ich sie kaum erkannte.
»Vayl?« Er sah aus, als wäre er gerade aufgewacht und hätte festgestellt, dass ihm ein lebenswichtiger Körperteil fehlte.
Er schüttelte den Kopf. »Ist der Vampir immer noch hier?«
»Ja.«
»Dann lass uns doch einen Spaziergang machen, ja?«
»Gut, okay.« Wir gingen quer durch das Restaurant zurück zu unserem Tisch. Auf dem Weg dorthin sprach Vayl weiter, so leise, dass ich ihn gerade noch verstehen konnte.
»Vielleicht solltest du ebenfalls verschwinden.«
Es kostete mich meine gesamte Konzentration, nicht auf der Stelle umzukippen. »Was zur Hölle meinst du damit?«
»Es geht um dein Leben, Jasmine. Dein kurzes, wundervolles Leben.« Ich kannte den Ausdruck auf Vayls
Gesicht. Er besagte: Wenn du mir das Herz brechen willst, tu es schnell . Das letzte Mal hatte ich ihn bei meiner High-School-Liebe gesehen, an dem Abend, als ich ihn verlassen hatte. Ich wusste, dass es ihm schwerfiel, doch Vayl fuhr fort: »Du willst Cole vor genau dem schützen, was dein Leben bestimmt. Was sagt dir das?«
» Ich bestimme meine Leben«, protestierte ich durch zusammengebissene Zähne. »Und ich habe mich dafür entschieden, jetzt hier zu sein. Cole hatte diese Wahl nicht. Er ist da einfach reingestolpert. Und so ertrinkt man leicht.« Und das hat er schon zu oft getan. Vayl ließ das Thema fallen.
Wir schafften es zurück zu unserem Tisch, ohne dass der spezielle Sensus in meinem Kopf Alarm geschlagen hätte. »Der Vampir muss in der Bar sein«, stellte ich fest, als wir uns setzten, und hoffte, dass der geschäftsmäßige Ton in meiner Stimme uns beide wieder etwas beruhigen würde. »Sollen wir reingehen oder warten?« Es juckte mich in den Fingern, am Tisch von Charlies Mörder ein wenig bodenständige Gewalt anzuwenden. Action, das brauchte ich jetzt. Diese ganze Grübelei machte mich wahnsinnig. Aber ich wusste, was Vayl sagen würde.
»Wir warten.«
Also warteten wir. Und machten Smalltalk. Und aßen. Letztendlich gehört das alles zum Job, und wir versuchen immer, den Job so gut wie möglich zu machen.
Jetzt, wo ich den Geruch des Vampirs kannte, konnte ich ihn viel besser von Vayls Odeur unterscheiden als am Anfang. Er blieb noch eine Stunde lang an einem Ort. Dann bewegte er sich. Wir hatten schon gezahlt, also setzten wir uns ebenfalls in Bewegung. Trotzdem hätten wir es fast vermasselt. Wie die meisten Vampire hatte auch dieser eine ganze Gefolgschaft dabei, und als wir den
Parkplatz erreichten, bestieg der letzte der Gruppe gerade eine glänzende schwarze Limousine.
Eine der ersten Lektionen,
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