Ein Vampir zum Valentinstag (German Edition)
Notfall, nur von Tinys Handy aus Kontakt aufnehmen dürften, denn Tinys Telefon war so ausgestattet, dass sich die Anrufe nicht zurückverfolgen ließen. Er hatte entschieden, dass niemand erfahren durfte, wo sich Stephanie aufhielt – und er war nun mal der Boss. Also konnten sie nichts unternehmen, um die Leute in Port Henry zu beruhigen.
O ja, sie wären sicher sehr beunruhigt, dachte Mirabeau unglücklich. Sie schätzte, dass sie durch die Odyssee in den Kanälen und den Zwischenstopp im Hotel mindestens fünf oder sechs Stunden hinter dem Zeitplan lagen, was bedeutete: Sie hätten bereits vor drei oder vier Stunden in Port Henry sein sollen. Stattdessen befanden sie sich etwa eine halbe Stunde südwestlich von Toronto und aßen im hässlichsten, tristesten Diner, das sie jemals gesehen hatte, das beste Essen, das sie jemals gegessen hatte. Nachdem ihnen Stephanie stundenlang in den Ohren gelegen hatte, sie habe Hunger, war Tiny hier abgefahren. Er bezeichnete das Lokal als Truck Stop und meinte, dort gäbe es das beste Essen.
Mirabeau musste zwar zugeben, dass das Essen tatsächlich großartig war, und doch war es wirklich ein Fehler gewesen, hier anzuhalten – und wenn Tiny nach der langen Fahrt nicht so erschöpft gewirkt hätte, hätte sie der Pause auch nie zugestimmt. Doch während der letzten Stunde hatte er ständig gegähnt und sich die Augen gerieben. Darum hatte sie beschlossen, dass ein Zwischenstopp angebracht wäre. Sie hatte vor, ihm später anzubieten, ab hier das Steuer des Wagens zu übernehmen (den er am Morgen tatsächlich ohne Schlüssel gestartet hatte – mit nichts weiter als einem Schraubenzieher und einem Drahtkleiderbügel, den sie sich vom Hausmeister im Hotel geborgt hatten. Es war beeindruckend gewesen, ihn in Aktion zu erleben. Allerdings war auch schon sein Anblick allein ziemlich beeindruckend).
»Fertig? Können wir los?«, fragte Tiny. Mirabeau schielte auf ihren leeren Teller. Soviel zum Verzicht auf Nahrung. Sie hatte das Essen, das er spendiert hatte, ja regelrecht inhaliert.
»Ich muss noch mal«, verkündete Stephanie und schlurfte den Rest ihres rosafarbenen Shakes aus, der nach Erdbeeren roch.
»Du gehst mit ihr zur Toilette, und ich starte schon mal das Auto«, schlug Tiny vor und stand auf.
»Hey, ich bin kein kleines Kind mehr. Ich kann allein gehen«, maulte Stephanie schmollend.
Anstatt klarzustellen, dass Mirabeau zu ihrem Schutz mitkommen sollte, grinste Tiny nur und neckte sie: »Ich dachte, ihr Mädchen geht immer zusammen?«
»Sexist«, murmelte Stephanie vor sich hin. Doch um ihre Lippen spielte ein Lächeln.
Zwar hielten sie sich nicht lange in den Waschräumen auf, aber Tiny war noch schneller. In der Zwischenzeit hatte er das Auto wieder gestartet und wartete bereits vor der Tür auf sie.
Mirabeau half Stephanie in den Wagen und kletterte dann auf den Beifahrersitz. »Eigentlich wollte ich anbieten, dass ich weiterfahre.«
»Nicht nötig, mir geht es gut. Das Frühstück hat mich erfrischt«, versicherte er.
Mirabeau zuckte mit den Schultern, machte es sich im Sitz bequem und schnallte sich an. Tiny fuhr vom Parkplatz. Sie waren schon wieder auf dem Highway, als Stephanies Kopf zwischen den Sitzen auftauchte und fragte: »Tiny, wie heißt du eigentlich wirklich?«
Das interessierte auch Mirabeau. Sie sah ihn neugierig an und bemerkte, wie seine Lippen amüsiert zuckten, als er zurückfragte: »Warum glaubst du, dass ich nicht Tiny heiße?«
»Weil nur Vollidioten ihr Kind Tiny nennen würden«, erwiderte der Teenager ungerührt.
»Aha, Vollidioten«, schmunzelte Tiny und erklärte dann: »Mein echter Name lautet Tinh.« Nachdem er ihn buchstabiert hatte, fuhr er fort: »Aber ich wurde schon immer Tiny gerufen. Das ist so, wie wenn aus einem Bill ein Billy wird.«
»Tinh?«, fragte Stephanie erstaunt. »Was ist das denn für ein Name?«
»Ein vietnamesischer.«
»Du bist aber kein Vietnamese«, konstatierte sie, wurde dann jedoch unsicher. »Oder?«
»Nein«, erwiderte er lächelnd.
»Warum haben dich deine Eltern dann so genannt?«
»Mein Vater hat als Soldat in Vietnam gedient«, erklärte er geduldig. »Er wurde bei einer Aufklärungsmission verwundet. Höchstwahrscheinlich wäre er gestorben, hätte ihn nicht ein gewisser Tinh aufgenommen und gesund gepflegt. Dad hat nie erfahren, ob das sein Vor- oder Nachname war. Als ich dann auf die Welt kam, gab er mir den Namen des Mannes, der ihn gerettet hatte.«
»Oh«, murmelte Stephanie.
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