Ein verboterner Kuss
mürrisches Gesicht.
Abdul drehte sich zu ihr um. „Tilly“, rief er sie mit tiefer Stimme zu sich. „An mir ist genug dran für euch alle.“ Kichernd lief Tilly los, um ihn einzuholen.
Die Dorfbewohner begannen zu raunen, schockiert, aber auch begeistert über dieses so unverhohlen skandalöse Benehmen. Aber, nun ja - Türken und Tickel-Mädchen kannten wohl so etwas wie Anstand nicht, da konnte man es ihnen nicht verübeln.
Melly blieb neben der Kirchentür stehen und wartete, während Frey mit seiner Gemeinde plauderte. Es machte ihr nichts aus, schließlich war es schön warm in der Morgensonne. Außerdem war es interessant, mit anzuhören, was die Leute so zu erzählen hatten.
Eine junge Frau stand mit einem in eine blaue Decke gewickelten Baby in ihrer Nähe. Melly hatte es in der Kirche weinen hören, daraufhin war die junge Frau mit ihm nach draußen gegangen. Jetzt verlagerte sie das Kind von einem Arm auf den anderen. Fasziniert betrachtete Melly den von weichem Flaum bedeckten kleinen Kopf, der ein Stückchen unter der Decke hervorlugte.
Sie konnte nicht anders. Ohne nachzudenken trat sie geradewegs auf die junge Mutter zu. „Darf ich es mir einmal ansehen?“
Stolz zog die Mutter die Decke zurück und enthüllte ein winziges Baby mit einer kleinen Knopfnase und einem süßen, rosigen Mündchen.
„Es ist wunderhübsch“, hauchte Melly. „Was für ein lieber kleiner Schatz. O ja, das bist du“, sagte sie zu dem Baby. „Ein kostbarer kleiner Schatz.“
Das Kind sah sie ernst aus großen blauen Augen an. Ein zartes Händchen ruderte ziellos in der Luft. Melly ergriff die kleine Faust und staunte über die winzigen, aber perfekten Fingernägel.
„Würden Sie ihn einen Moment für mich halten, Miss?“, fragte die Mutter. „Ich muss kurz mit dem Vikar sprechen.“ „Darf ich?“ Melly war überglücklich. Vorsichtig bettete sie das Kind in ihre Arme, wiegte es leicht und murmelte ihm leise etwas zu, um es nicht zu erschrecken. Nur am Rande bekam sie mit, wie die Mutter und Frey sich darauf einigten, das Kind in der nächsten Woche taufen zu lassen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Baby, das so vertrauensvoll in ihrem Arm lag und sie groß ansah.
Sie küsste es zärtlich auf den dünnen Haarflaum und auf die samtweiche Wange. Sie drückte es an ihre Brust. Das leichte, warme Gewicht fühlte sich so gut an, so vollkommen. Sie schloss die Augen und sog den reinen, sauberen Babyduft ein. Wie sehr sie sich nach einem eigenen Kind sehnte ...
„Ich nehme ihn Ihnen jetzt wieder ab, vielen Dank, M...“ Die Frau verstummte. „Ist alles in Ordnung, Miss?“
„Aber ja“, versicherte Melly verwirrt.
Die junge Frau sah sie verwundert an. „Ich meine nur, weil Sie weinen, Miss.“
„Ach!“ Hastig wischte Melly sich mit dem Handrücken über die Wange. „Entschuldigung, es ... es ist nichts weiter. Die, hm, Blumen in der Kirche haben manchmal diese Wirkung auf mich.“
Die Frau betrachtete sie eine ganze Weile ernst. Melly wich schließlich ihrem Blick aus. „Eines Tages haben Sie selbst auch so ein süßes, kleines Baby, Miss, keine Sorge“, sagte die Frau sanft und drückte leicht Mellys Arm.
Melly wandte sich ab. Niemand sollte sehen, dass sie geweint hatte. Blind suchte sie in ihrem Retikül nach einem Taschentuch.
„Was hat sie zu dir gesagt?“ Das war Freys Stimme, aufgebracht und zornig. Er legte die Hände auf ihre Schultern und versuchte, sie zu sich umzudrehen.
„Nichts. Sie hat nichts weiter gesagt.“ Melly hielt ihr Gesicht abgewandt, denn ihr war klar, dass sie verweinte, geschwollene Augen haben musste.
„Ich habe es doch gesehen, Melly“, sagte er streng. „Sie hat dich zum Weinen gebracht.“
„Nein, nein, das stimmt nicht.“ Sie wollte zurückweichen, aber er ließ es nicht zu.
„Ich lasse dich erst los, wenn du mir sagst, warum du weinst. Sie muss dir doch irgendetwas gesagt oder getan haben!“
„Es war das Baby! Das Baby hat mich zum Weinen gebracht“, erklärte sie ihm verzweifelt.
„Das Baby?“ Er starrte sie verwirrt an. „Magst du keine Kinder?“
Sie hob den Kopf, sah ihn an und ihre Tränen begannen erneut zu fließen. Und plötzlich begriff Frey - ihre zärtliche Sehnsucht, ihre abgrundtiefe Verzweiflung. „Komm her“, sagte er und zog sie in seine Arme.
„Wir sind bald in Cheltenham“, raunte Dominic Grace ins Ohr. Sie bewegte sich schläfrig. Sie beide hatten den Mond durch das Kutschenfenster aufgehen sehen, danach war sie an
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