Ein verboterner Kuss
wären“, sagte Grace langsam auf Arabisch.
Tariq zog die dunklen Brauen hoch und antwortete in derselben Sprache. „Die Dame spricht unsere Sprache?“
„Nur ein wenig und nicht besonders gut“, erwiderte sie bescheiden.
„Sie liest sogar Arabisch“, bemerkte Dominic, und Grace freute sich über den Anflug von Stolz in seiner Stimme. „Sie hat eine Schwäche für die Gedichte von Ibn Safr al-Marini.“
„Der berühmte Dichter aus Andalusien? Ich bin beeindruckt, und meine Frauen werden begeistert sein. Sie waren, wie Sie vielleicht verstehen, ein wenig nervös, einer englischen Dame zu begegnen.“ Er klatschte in die Hände, und ein großer, ziemlich feister Mann mit weichlichen Zügen, der arabische Kleidung trug, erschien lautlos. „Führ diese Dame in den Frauenbereich“, forderte Tariq ihn auf. „Sie spricht unsere Sprache.“
Der große Mann verneigte sich und gab Grace ein Zeichen, ihm zu folgen.
„Ein Eunuch“, flüsterte Dominic Grace unauffällig ins Ohr.
Ihre Augen weiteten sich. Das wäre also aus Abdul geworden! Sie folgte dem Mann. Er führte sie an der Haupttreppe vorbei zu einem kleineren Treppenhaus im hinteren Teil des Hauses.
Der Frauenbereich befand sich im zweiten Stock. Er war vom restlichen Haus abgeteilt durch ein wunderschön geschnitztes Holzgitter, das den Flur versperrte. Der große Mann öffnete es, verneigte sich erneut und bedeutete Grace einzutreten.
Ihr klopfte das Herz. Einerseits konnte sie es kaum erwarten, die Damen des Harems kennenzulernen, andererseits war sie aber auch ziemlich nervös.
Der Eunuch öffnete eine Tür, und dann hatte Grace das Gefühl, eine ganz andere Welt zu betreten - eine exotische Welt voller Düfte, Farben, kostbarer Stoffe und komplizierter Muster. Die Luft wirkte parfümiert, Sandelholz vielleicht, wie Grace vermutete, auf jeden Fall war es ein moschusartiger, exotischer und anregender Duft. Dicke Perserteppiche bedeckten jede Stelle des Fußbodens, zum Teil in mehreren Lagen, ohne Rücksicht, ob Farben und Muster zueinander passten - das war ganz anders als der auf Ausgewogenheit bedachte englische Einrichtungsstil. Die Fenster zierten zart geschnitzte Holzgitter, umrahmt von verschwenderischen Bahnen leuchtend gelber Seide. Silberne Leuchter hingen von der Decke, tauchten den Raum in ein goldenes Licht. Das Licht wurde auch von Spiegeln reflektiert. Goldgerahmte Spiegel in allen Formen und Größen bedeckten nämlich die Wände fast vollständig - eine Überraschung für Grace, die in einem Haus ganz ohne Spiegel aufgewachsen war und die schon einen einzigen für Luxus gehalten hatte. Noch nie hatte sie so viele in einem Raum gesehen. Gemusterte Wandteppiche und Gobelins verdeckten die wenigen freien Stellen an den Wänden.
Fünf Frauen starrten Grace sichtlich nervös an. Grace erinnerte sich daran, was Tariq ihr erzählt hatte, lächelte und knickste. „Friede sei mit Ihnen“, sagte sie auf Arabisch. „Ich danke Ihnen, dass Sie mich in Ihr Haus eingeladen haben.“
In die Frauen kam Bewegung. Plötzlich umringten sie Grace und redeten aufgeregt in ihrer Sprache auf sie ein.
Lachend hob Grace die Hände und erklärte, dass sie nicht sehr gut Arabisch sprach und verstand, sondern es eher lesen konnte.
Eine Dame nach der anderen stellte sich Grace vor. Zuerst kam Fatima, die älteste Ehefrau, eine elegante Erscheinung, die Grace auf etwa Ende zwanzig schätzte. Die nächste war Kadije, hübsch und rundgesichtig, und schließlich Mouna, eine aparte dunkle Schönheit von vielleicht siebzehn Jahren. Das waren Tariqs Ehefrauen.
Die beiden anderen Frauen waren Dienerinnen, wie Grace diskret verraten wurde. Eine vierte Ehefrau war in Alexandria geblieben, weil sie kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes stand. Mouna beschrieb das kichernd und mit äußerst bildhaften Gesten.
Man bat Grace, Platz zu nehmen. Es gab nur wenige Möbel -ein paar niedrige Diwane, Berge von großen, üppigen Kissen und ein, zwei niedrige Tische und Truhen aus Zedernholz mit aufwendig gearbeiteten Intarsien aus Perlmutt. Grace setzte sich auf einen Diwan und versank beinahe in dessen weichen Polstern.
Fatima klatschte in die Hände, und die Dienerinnen erschienen. Die eine brachte einen großen silbernen Krug, der, wie sich herausstellte, einen Fruchtsaft enthielt, eigenartig aromatisiert, aber köstlich. Die andere trug ein riesiges Tablett, und schon bald war der niedrige Tisch bedeckt mit silbernen Tellern voller Gerichte, die Grace noch nie zuvor
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