Ein verführerischer Akt
seinem Schoß zitternd zurück auf die Bank rutschen konnte.
»Wenn wir bei Ihnen angekommen sind, bringen Sie mir den Diamanten. Braucht keinem was passieren, Ihnen auch nich.« Er beugte sich mit teuflisch funkelnden Augen und stinkendem Atem über sie. »Aber wenn Sie nich tun, was ich verlang, komm ich ins Haus. Und bevor Sie mir ’nen Lakaien auf den Hals hetzen, erzähl ich allen von dem Gemälde und was für ’ne Dirne Sie sind. Vielleicht knöpf ich mir auch Ihre alte Dame vor. Na, is so ein Klunker all das wert?«
Sie starrte ihn an und schüttelte den Kopf. Einen Lakaien auf den Hals hetzen? Wusste er überhaupt, wie viele Menschen in der Stadtresidenz des Dukes arbeiteten?
Aber darum ging es nicht. Er hatte gar nicht die Absicht, ihr nach drinnen zu folgen, sondern setzte voraus, dass sie aus Angst alles tat, was er ihr sagte. Eigentlich durfte sie nicht zulassen, dass dieser Verbrecher sein Ziel erreichte und zudem sie und ihre Familie bedrohte. Nur konnte sie nicht zur Polizei gehen, ohne dabei das Gemälde zu erwähnen!
Die Kutsche kam mit einem Ruck zum Stehen. Der Mann zog sich tiefer in den Schatten zurück. »Sagen Sie dem Kutscher, dass Sie gleich wieder da sind. Holen Sie den Diamanten und bringen ihn mir, sonst …«
Sie nickte voller Panik, rieb sich die Handgelenke und rückte ihren Umhang zurecht, als ein Lakai den Schlag öffnete. Mühsam unterdrückte sie ihr Zittern, als sie ihm die Hand reichte, um sich beim Aussteigen helfen zu lassen. Sie rechnete jeden Moment damit, dass der Mann in der Kutsche unerwartet etwas tat, doch er verhielt sich ruhig.
Dem Kutscher, der neben den beiden Pferden stand, rief sie mit einem verkrampften Lächeln zu. »Hewett, warten Sie bitte hier auf mich? Ich habe noch etwas zu erledigen.«
»Natürlich, Miss Leland.«
Als sie die Treppe hinaufeilte, schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel. Im Haus eilte sie schnell an den Dienstboten vorbei durch die Halle und stieg die Treppe hoch, wobei ihre Schritte laut durch den hohen, mit Marmor gefliesten Raum hallten. Sie war froh, als sie endlich in ihrem Schlafzimmer war, wo – wie Susanna versprochen hatte – zwei Bahnfahrkarten auf ihrem Frisiertisch bereitlagen.
Atemlos und zitternd durchwühlte sie ihren Schmuckkasten, bis sie den Diamantanhänger gefunden hatte. Das Licht, das durchs Fenster fiel, ließ all seine Facetten glitzern und funkeln und Kaskaden von rot schillernden Mustern auf den Teppich werfen. Himmel, der war ja echt, dachte sie verblüfft. Und bestimmt ein Vermögen wert, denn rote Diamanten waren selten und so große insbesondere. Schnell legte sie die Kette um ihren Hals und versenkte den Anhänger in ihrem Mieder, griff nach der Fahrkarte, überflog den gedruckten Fahrplan und fand, wonach sie gesucht hatte.
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und ihre Zofe Beatrice kam herein, eine mollige junge Frau mit rundem Gesicht. Erschrocken blieb sie stehen, als sie Rebecca erblickte.
»Oh, Verzeihung, ich wusste nicht, dass Sie da sind. Miss Susanna hat mir aufgetragen, die Kleidertruhen schon vorauszuschicken, und es hieß, Sie würden erst in ein paar Stunden aufbrechen …«
»Ich weiß, Beatrice«, unterbrach Rebecca sie und zwang sich wieder zu einem Lächeln, »aber es hat eine Änderung der Pläne gegeben. Eine liebe Freundin hat sich entschlossen, mich zu begleiten, deshalb gebe ich dir frei.«
Beatrice zwinkerte überrascht, doch gleichzeitig breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Aber Miss, werden Sie mich denn nicht brauchen?«
»Meine Großtante hat bestimmt genug Mädchen. Du bist seit Urzeiten nicht mehr bei deiner Familie in York gewesen, nicht wahr?« Sie überlegte schnell und hielt ihr dann eine Fahrkarte hin. »Nimm die hier und tausche sie gegen eine nach Hause um. Ich werde dich bestimmt mehrere Wochen lang nicht brauchen.«
Obwohl hocherfreut, zögerte Beatrice nach wie vor. »Braucht denn Ihre Freundin das Ticket nicht?«
»Wir kaufen ein anderes. Du gehst einfach zum Bahnhof, damit du auf direktem Weg nach Hause fahren kannst.«
»Ich muss gestehen, dass gerade der Geburtstag meiner Mutter ist.«
»Warum hast du mir das nicht erzählt?«, fragte Rebecca. »Ich hätte dir auf jeden Fall freigegeben.«
»Aber während der Saison …«
Rebecca stieß einen ungeduldigen Laut aus. »Die Saison läuft auch ohne uns weiter. Und jetzt geh!« Mit beiden Händen schob sie ihre Zofe zur Tür hinaus.
Beatrice warf ihr noch ein Lächeln über die
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