Ein verführerischer Akt
beherrschen konnte. »Meine Herren Brüder«, sagte er voller Geringschätzung, »ich würde euch gerne diese Dame vorstellen.«
Beide blinzelten unsicher und zogen es vor zu schweigen.
»Miss Leland, das also sind meine Brüder Gavin und Joseph Delane.«
Rebecca, die sich rasch wieder gefangen hatte, knickste elegant und reichte beiden nacheinander freundlich die Hand. Nur die leichte Röte auf ihren Wangen verriet noch, dass um ein Haar Intimes geschehen wäre – dass sie sich geküsst hätten.
»Sind Sie beide Kunstliebhaber?«, fragte Rebecca und warf dabei Julian von der Seite einen Blick zu. »Deshalb sind Sie doch vermutlich zu Lady Thurlows Empfang gekommen?«
Ihre Kaltblütigkeit beeindruckte ihn … Es schien geradezu, als wollte sie ihn provozieren, ein gewisses Gemälde zur Sprache zu bringen.
»Kunst ist … nicht schlecht«, erwiderte Gavin schließlich nicht sehr eloquent. »Aber die Damen bereichern das Ganze.«
Joseph unterdrückte einen Lachanfall, und Julian verdrehte die Augen angesichts solch offenkundigen Mangels an Umgangsformen.
Rebecca dagegen lächelte. »Erstaunlich, Ihr Bruder hat so ziemlich das Gleiche gesagt.« Sie warf den Kopf zurück und ließ die drei stehen. »Ihnen noch einen schönen Tag, Lord Parkhurst«, rief sie Julian über die Schulter zu.
Verdammt, fluchte er in sich hinein. Jetzt war sie weg, ohne dass er wusste, wann und wohin sie reisen würde. Am liebsten wäre er ihr hinterhergelaufen, aber Gavin hielt ihn am Arm fest.
»Ist das wirklich unser Bruder?«, wandte er sich an seinen Zwilling, das Gesicht zu einer übertrieben überraschten Miene verzogen.
»Was für ein schlechtes Vorbild er abgibt.« Joseph schüttelte den Kopf.
Julian fragte sich, ob sein Interesse an Rebecca auch von anderen bemerkt worden war. Hoffentlich nicht, denn dass ihr Ruf Schaden nahm, das wollte er auf keinen Fall. Ihm ging es in erster Linie um den Diamanten – und ansonsten … Nun ja, er genoss ihre Gegenwart durchaus.
»Oh, oh, es hat ihn erwischt«, unkte Gavin, als Julian seine Brüder stehen ließ, um sich auf die Suche nach Rebecca zu machen. »Selbst die Mächtigen stürzen«, rief Joseph ihm nach.
Die Jungen lachten, doch er beachtete sie nicht weiter.
Kapitel 5
Rebecca war der Meinung, unbemerkt Banstead House verlassen zu haben. Nicht einmal Susanna, die auf diesem Empfang ganz in ihrem Element war, hatte sie Bescheid gesagt, damit diese erst gar nicht auf die Idee kam, sie zu begleiten. Sie fand, die Schwester sollte die Gespräche über Kunst weiterhin genießen.
Außerdem entging sie auf diese Weise der Gefahr, Susanna ohne Umschweife zu gestehen, dass der Earl of Parkhurst sie um ein Haar geküsst und sie es zugelassen hätte, wären nicht die halbwüchsigen Brüder dazwischengekommen. Erhitzt, verwirrt und innerlich aufgewühlt wartete sie auf der Eingangstreppe auf das Vorfahren ihrer Kutsche.
Sie hatte seinen Kuss gewollt, und das keineswegs nur, um ihn von seiner Fragerei abzulenken. Wie kam sie überhaupt auf die Idee, dass es ihr in irgendeiner Weise helfen könnte, die Wette zu gewinnen, wenn sie der Versuchung nachgab?
Eigentlich hatte sie überhaupt nicht mehr an die Wette gedacht, sondern nur wissen wollen, wie es war, von einem Mann geküsst zu werden. Endlich, denn weil sie krankheitsbedingt lange Zeit auf dem Land gelebt hatte, wo die Luft besser und die Gefahr von Ansteckungen geringer war, verspürte sie in dieser Hinsicht einen gewissen Nachholbedarf. Denn selbst nach ihrer Einführung in die Gesellschaft hatte man sie wie ein zerbrechliches Püppchen behandelt und sie auch so den anderen präsentiert. Und weil jeder sie für kränklich hielt, stand sie auch nie im Mittelpunkt bei den Bällen, wo die anderen flirteten und wo Verabredungen arrangiert wurden. Und so wusste sie nicht, wie es war, von einem Mann umarmt, geschweige denn geküsst zu werden.
Julian hingegen, der sie erst jetzt richtig kennenlernte, sah sie völlig anders, wie sie unschwer bemerkte. Als unerschrockene junge Frau, die alle Grenzen überschritt und sich nackt malen ließ, die wenig schickliche Wetten einging und sichtlich auf Abenteuer aus war. Und während andere all das missbilligen würden, schien es ihm offensichtlich zu gefallen.
Ihr war ein wenig schwindelig, und sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als die Kutsche vorfuhr. Der Lakai ließ den Tritt herunter, öffnete den Schlag und half ihr hinein. Sie schaute über die Schulter zurück, um ihm dankend
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