Ein verführerischer Akt
Manchester das Ziel Ihrer Reise?«
»Nein, eigentlich nicht. Erst später habe ich daran gedacht, weil ich meine Verfolger nicht zu meiner Tante führen wollte.«
»Und wohin sollte es ursprünglich gehen?«
»In den Lake District.« Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Es war Susannas Idee, dass wir uns trennen, damit Sie und Ihre Freunde uns nicht so leicht gegeneinander ausspielen können.«
»Meine Freunde und ich gehen nicht gemeinsam vor«, rief er ihr in Erinnerung.
»Wirklich nicht? Ich hatte gestern Abend einen anderen Eindruck.«
»Und mir kam der Verdacht, Sie wollten nicht, dass ich mich mit Ihrer Schwester und Ihrer Cousine unterhalte«, sagte er langsam. »Ich frage mich nur, warum nicht.«
Sie fing plötzlich laut zu gähnen an. »Wissen Sie, wie spät es ist?«
Er holte eine Taschenuhr aus seiner Jackentasche. »Fast elf Uhr.«
»Ich bin plötzlich sehr müde. Ich werde bestimmt wie eine Tote schlafen.«
Waren diese Worte an ihn gerichtet – oder an sich selbst?
Kapitel 9
In Rebeccas Augen wurde das Bett im Verlauf ihrer Unterhaltung immer größer. Julian war einfach zu ehrenwert, um eine Jungfrau zu verführen. Beruhigend und andererseits ein bisschen enttäuschend.
Was war mit ihr los, dachte sie und nahm noch einen Schluck Ale. Gegen den Durst, redete sie sich ein.
Julian nahm ihr den Becher aus der Hand. »Ich glaube, Sie haben genug.«
»Wollen Sie mich etwa schon jetzt bevormunden?«
»Ich sorge bloß dafür, dass Sie sich nicht in Verlegenheit bringen.«
»Ich würde nie …« Sie stockte und erinnerte sich an ihr leises Bedauern, dass er nicht versuchen würde, sie zu verführen. Mürrisch gab sie zu: »Sie haben recht. Das Gebräu ist ziemlich stark.«
Er beugte sich über sie. »Habe ich richtig gehört? Sie geben zu, dass ich im Recht bin?«
»In dieser Hinsicht«, murmelte sie. Mit in die Hüften gestemmten Fäusten sah sie das Bett an und wandte sich wieder zu Julian um. »Und was machen wir in Bezug aufs Schlafen? Sagen Sie nicht wieder, wir tun so, als seien wir verheiratet …«
Das Lächeln, das sich langsam auf seinem Gesicht ausbreitete, wirkte gefährlich.
Eine der Kerzen flackerte und erlosch, sodass es im Zimmer noch ein wenig dunkler wurde. Der Schatten, den er an die Wand warf, wirkte riesig, aber sie hatte keine Angst vor ihm. Eher vor sich selbst; denn das, was sich zwischen Mann und Frau abspielte, beschäftigte ihre Fantasie seit langem.
Trotzdem hatte sie bislang nie wirklich die Verlockung gespürt, jenen Reiz, der Paare dazu brachte, alles aufs Spiel zu setzen, um beieinander zu sein. Außer vielleicht in jenem Moment, als Julian sie in Lady Thurlows Garten beinahe geküsst hätte – da war plötzlich die Ahnung von jener Macht über sie gekommen, die ein großes, tiefes Sehnen nach seiner Berührung in ihr auslöste. Wenn das ein Anflug von Leidenschaft gewesen war, würde sie vorsichtig sein müssen.
»Es gibt nur diese eine Schlafgelegenheit«, erklärte Julian. »Ich schlage vor, wir halten uns an die in früheren Zeiten häufig betriebene Brautwerbung im Bett.«
»Wie bitte?«
»Haben Sie noch nie von dem alten Brauch gehört? Man liegt miteinander im Bett und unterhält sich, um sich kennenzulernen. Jeder hat seine eigene Decke.«
»Und wir bleiben angezogen«, fügte sie hinzu.
Ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen. »Wir bleiben angezogen.« Er wurde wieder ernst. »Wir werden Tag und Nacht zusammen sein, Rebecca, und dies ist nicht das letzte Mal, dass wir im selben Bett schlafen. Das Collier, das Sie da um den Hals tragen, bringt Sie in zu große Gefahr. Vielleicht sollte ich es lieber …«
»Nein.« Sie schenkte ihm ein provozierendes Lächeln.
»Na gut«, meinte er ergeben. »Ich werde jetzt nach draußen gehen, damit Sie sich ungestört für die Nacht zurechtmachen können. Ich gehe davon aus, dass Sie dieses Mal im Zimmer bleiben.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort.«
Er nickte und ging hinaus.
Sie atmete tief ein und aus, denn ihr war ein bisschen schwindelig vom Ale. Anschließend kämpfte sie mit den Haken ihres Kleides, um es etwas bequemer zu haben, aber sie kam nicht an alle heran. Aufs Zähneputzen musste sie notgedrungen verzichten, da sie keinerlei Utensilien dabeihatte. Gesicht und Hände waschen, das war alles. Dann bereitete sie das Bett vor, legte auf jede Seite eine Decke und kroch unter ihre.
Zuerst zog sie sie bis zum Kinn hoch, bis ihr einfiel, dass es aussehen könnte, als habe sie Angst vor
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