Ein verführerischer Akt
Verpflichtung für eine wohlerzogene höhere Tochter.«
»Ich weiß, doch das ist so viel aufregender als alles, was ich je getan habe. Ich möchte es alles hautnah erleben, Julian.« Ihre Augen glänzten im Kerzenschein.
Er brachte es nicht über sich, sie zu enttäuschen, auch wenn er es ihr am liebsten auf der Stelle abgeschlagen und sie, nachdem er alles Nötige wusste, nach London in die Sicherheit ihres Hauses zurückgeschickt hätte. Ohne das Collier natürlich, und da fingen die Probleme an, denn er konnte es ihr schließlich nicht einfach vom Hals reißen. Außerdem hatte er so seine Zweifel, ob sie sich überhaupt abschütteln ließ.
Sie war ein Rätsel für ihn. Was brachte eine derart behütet aufgewachsene junge Frau dazu, sich in Gefahr zu bringen – und das alles wegen eines Diamanten, der ihr nicht einmal gehörte? Und was hatte sie bewogen, für einen Akt Modell zu sitzen und alles zu zeigen, was eigentlich nur ihr künftiger Ehemann sehen durfte? Würde sie noch andere Dinge ausprobieren, nachdem ihr Ruf ohnehin ruiniert war?
Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Na gut. Sie dürfen mich begleiten – allerdings nur, wenn Sie auf ein paar Bedingungen eingehen.«
Sie stöhnte auf, wirbelte herum und ging zum Tisch, um sich noch etwas Ale aus dem Krug einzugießen. »Ich habe von Anfang an gespürt, dass Sie ein Mensch sind, der meint für alles und für jeden die Verantwortung übernehmen zu müssen.«
»Bei dieser Sache liegt die volle Verantwortung in der Tat bei mir. Eine falsche Reaktion von Ihnen, und wir könnten beide tot sein.«
»Das Gleiche gilt für Sie«, murmelte sie, ohne ihn anzuschauen. »Fahren Sie fort. Erklären Sie es mir haargenau, auch wenn ich bereits weiß, was Sie mir sagen werden.«
»Ach, das wissen Sie?«
»Natürlich! Sie wollen sich alle Entscheidungen vorbehalten – das heißt, Sie machen die Pläne, wie vorgegangen wird.«
»Ich würde Vorschläge von Ihrer Seite sicherlich berücksichtigen.«
»Wie großzügig von Ihnen, Mylord!«
Ihre Stimme war laut geworden, zu durchdringend für die dünnen Wände des bescheidenen Hauses. Er legte eine Hand über ihren Mund, während er angestrengt mit geneigtem Kopf lauschte. Bei ihrer Ankunft waren sie die einzigen Gäste gewesen, was sich zwischenzeitlich durchaus geändert haben konnte. Doch zu seiner Beruhigung drangen von unten keine verräterischen Geräusche herauf.
Leise sagte er: »Es ist überaus wichtig, dass wir uns an die Geschichte halten, für die wir uns entscheiden.«
Sie nickte. Als er seine Hand wegnahm, lag ein schuldbewusster Ausdruck auf ihrer Miene, und sie murmelte: »Es tut mir leid.«
Und als sie dann noch mit der Zunge über die Lippen fuhr, lösten sich bei Julian alle düstere Gedanken in Luft auf. Nacht für Nacht mit ihr alleine sein … mit dieser Frau, deren nackter Körper auf dem Gemälde wie eine Verheißung war, das wünschte er sich. Nur das hatte er im Sinn, als sie wie die personifizierte Versuchung vor ihm stand. Er wollte sie erforschen: mit seinen Augen, Händen und Lippen.
»Glauben Sie, dass jemand mich gehört hat?«, fragte sie atemlos. »Wenn man annimmt, dass Sie mein Ehemann sind, findet man bestimmt nichts dabei, wenn es mal lauter zugeht und ich Sie sarkastisch ›Mylord‹ nenne.«
»Sehr amüsant. Aber diese Sache ist ernst, Rebecca.«
»Das weiß ich, und ich werde mich dementsprechend verhalten. Unter der Voraussetzung, dass Sie sich meine Vorschläge anhören und wir bei unseren Entscheidungen Kompromisse schließen …«
»Das gehört nicht zu den Bedingungen.«
Sie lächelte und klimperte geziert mit den Wimpern. »Wie bitte?«
»Ich bin einverstanden, mir anzuhören, was Sie zu sagen haben, und bin auch zu Kompromissen bereit, wenn ich der Meinung bin, dass sie uns nicht gefährden.«
»Oder den Einsatz, Sir?«, fragte sie, spöttisch salutierend.
Er beachtete ihren Einwurf nicht. »Und jetzt erfüllen Sie Ihren Part des Handels. Sagen Sie mir, wohin Roger Eastfield gefahren ist, um seine kranke Mutter zu besuchen.«
»Ach, an die Sache mit seiner Mutter erinnern Sie sich also?«
»Ich habe ein gutes Gedächtnis, insbesondere da der Geschäftsführer des Clubs das im Zusammenhang mit dem Ankauf des skandalösen Gemäldes erwähnt hat.«
Jetzt war es an ihr, die Augen zu verdrehen. »Nun gut. Er ist nach Manchester gefahren.«
»Wenn wir im Zug hätten bleiben können, wären wir dort hingekommen«, sagte er und schloss kurz die Augen. »War
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