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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Callen
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Lage.«
    »Sie hatte gerade die Zwillinge bekommen und war beschäftigt. Ich selbst hätte die Wahrheit sehen müssen.«
    »Sie waren gerade mal zehn Jahre alt und hofften einfach, wie jeder andere Junge sein zu dürfen. Ziehen Sie sich diesen Schuh nicht an.«
    Rebecca konnte es nicht fassen, wie gelassen Julian über solch einen traurigen Abschnitt seiner Kindheit sprach. Bestimmt hatte er schrecklich darunter gelitten, so vieles entbehren zu müssen. Und dann auch noch in die Dorfschule zu gehen … Sie konnte seine Entschlossenheit, sich selbst weiterzubilden, nur bewundern. Während sie ständig darauf herumritt, dass sie als Kind auf so viel verzichten musste, hatte er mit ganz anderen Einschränkungen zu kämpfen gehabt. Sie bekam den kleinen Jungen, der so begierig aufs Lernen war und nicht nach Eton zurückkehren durfte, nicht aus dem Kopf. Zumal ihm auch die Möglichkeit vorenthalten wurde, Freundschaften innerhalb seiner Kreise zu schließen, die so wichtig in der Gesellschaft waren. Besuchte er deshalb nur selten gesellschaftliche Ereignisse?
    »Und das ist also der Grund, warum Sie so viel Zeit mit den Dienstboten verbrachten«, meinte sie, nachdem sie eins und eins zusammengezählt hatte. »Aber wenn so wenig Geld da war, gab es wahrscheinlich nicht viele Dienstboten.«
    »Nun ja, die meisten blieben trotzdem, weil sie auf den Gütern versorgt wurden. Später, als ich das Erbe übernahm, habe ich sie gebeten zu bleiben, und sie haben sich dazu bereiterklärt, trotz der schlechten Zeiten«, erklärte er ruhig.
    Verstohlen musterte sie seine Muskelpakete, die für ein Mitglied des Hochadels nicht gerade typisch waren. Hatte er vielleicht selbst mit angepackt? Sie vermutete es fast, mochte ihn aber nicht direkt danach fragen.
    »Ihre Leute waren Ihnen wahrscheinlich sehr ergeben«, meinte sie stattdessen.
    »Es sind gute Leute.« Er ging etwas schneller. »Wollen wir nicht wieder einsteigen?«
    »Nein. Sie wollen nur nicht bei mir bleiben, weil ich Sie hier nach Herzenslust ausfragen kann.«
    »Dann lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen. Wird sich Ihre überfürsorgliche Familie eigentlich keine Sorgen machen, wenn Sie nicht bei Ihrer Tante ankommen?«
    »Darüber habe ich bereits nachgedacht«, erwiderte sie. »Wenn wir heute Abend in Birmingham sind, werde ich meiner Tante schreiben und ihr mitteilen, dass ich noch Freunde besuche. Natürlich ohne ihr zu sagen, wo genau. Wenn ich mich um ein oder zwei Wochen verspäte, wird sie sich hoffentlich nichts dabei denken.«
    »Genial.«
    Sie lachte und wusste, dass er bestimmt ebenfalls in diese Richtung gedacht hatte, aber es ihr überlassen wollte, die Idee als Erste zur Sprache zu bringen. »Was ist mit Ihnen? Sie haben nicht einmal Gepäck auf diese Reise mitgenommen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie nicht eben berühmt für spontane Entscheidungen sind.«
    Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ich bin beleidigt.«
    »Wie kann einen die Wahrheit beleidigen?«
    »Ich reise häufig, um Besitzungen außerhalb Londons aufzusuchen und meinen Fabriken in anderen Städten einen Besuch abzustatten. Man wird annehmen, dass ich in Geschäftsdingen unterwegs bin. Meine Mutter sorgt dafür, dass der Haushalt in London reibungslos läuft.«
    »Aber Sie sind nicht da, um Ihre Brüder zu maßregeln.«
    »Die werden begeistert sein«, meinte er trocken. »Vielleicht habe ich bei ihnen des Guten zu viel getan.«
    »Wirklich?«, fragte sie interessiert.
    »Sie haben doch aus nächster Nähe mitbekommen, wie sie sind.«
    »Vieles lässt sich mit ihrer Jugend und Unreife erklären. Natürlich mussten Sie selbst diese Phase viel schneller hinter sich lassen als die beiden, nicht zuletzt um Ihren Brüdern ein Leben zu ermöglichen, wie es Ihnen nicht vergönnt war.«
    »Es reicht, Mrs Bacon. Dieses Lob ist unberechtigt.«
    »Man lobt immer seinen Ehemann. Auch wenn der eigentlich nur an ein Schmuckstück denkt.«
    Er zog eine Augenbraue hoch, und sie hüpfte dem Fuhrwerk hinterher.
    Am Abend kamen sie in Birmingham an. Eigentlich hatte Julian die große Stadt meiden wollen, doch das Fuhrwerk nahm eben diese Route. Trotzdem war es ihm nicht recht, denn vielleicht waren die Verfolger ja hier ausgestiegen und trieben sich noch in der Gegend herum, um nach ihnen zu suchen. Deshalb würden sie sich wieder irgendwo verstecken, wo man sie nicht vermutete. Man konnte schließlich nie wissen.
    Obwohl der Himmel noch hell war, herrschte in den engen Gassen schon ziemliche

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