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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Callen
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Dunkelheit. Hier fiel vermutlich selbst tagsüber kaum ein Lichtstrahl hinein. Sie hatten das Fuhrwerk verlassen und dem Kutscher erklärt, sie würden Verwandte besuchen und brauchten deshalb keine Unterkunft, um ihre Spuren zu verwischen. Jetzt machten sie sich auf eigene Faust auf die Suche nach einer Bleibe.
    Die Luft war voller Gerüche, die vor allem von den Kohleöfen herrührten, welche die Häuser heizten und die Maschinen in den Fabriken antrieben. Als sie an einem Markt vorbeikamen, kaufte Julian eine Fleischpastete und fragte nach dem Weg zu einem Gasthof.
    Sobald sie das »King’s Head« erreichten, ließ Rebecca seinen Arm los und marschierte direkt auf den Wirt, einen beleibten Mann, zu, der ihr auf ihre Frage lustlos erklärte, dass es noch freie Zimmer gebe.
    Der Dialekt des Mannes ließ sie einen Moment lang stutzen, und Julian konnte sehen, wie sie mühsam versuchte, den Sinn seiner Worte zu erfassen.
    »Dann nehme ich ein Zimmer. Ich heiße Mrs Lambe.«
    Erst in dem Moment wurde ihm klar, dass sie gar nicht über neue Namen gesprochen hatten und die Entscheidung ohne ihn gefallen war.
    »Mein Diener Tusser«, sie deutete ziemlich herrisch mit dem Kopf auf Julian, der hinter ihr stand, »kann im Dienstbotentrakt untergebracht werden.«
    Julian erstarrte. Was hatte das kleine Biest im Sinn? Wollte sie fliehen? An ihrer Miene konnte er nichts erkennen, außer dass sie als eine Frau erscheinen wollte, die daran gewöhnt war, alleine zurechtzukommen.
    »So was gibt’s hier nicht«, erwiderte der Wirt. »Er kann sich hinten im Stall schlafen legen.«
    »Sehr schön.«
    Während sie ihren Namen – und den angeblichen Heimatort, den sie ebenfalls nicht mit ihm abgesprochen hatte – ins Gästebuch eintrug, stand Julian daneben und knetete seine Mütze. Er wusste, dass er nicht eingreifen konnte, obwohl es ihm schwer gegen den Strich ging.
    Als der Wirt mit dem Schlüssel kam und schon die Treppe hinaufgehen wollte, sagte Rebecca: »Seien Sie so gut und tragen Sie meine Tasche.«
    Julian reichte ihm schweigend die abgeschabte Tasche, woraufhin der Mann die Augen verdrehte zum Zeichen, dass sie sich in seinen Augen ganz schön aufspielte.
    Rebecca warf einen Blick über die Schulter und bedachte Julian mit einem boshaften Grinsen.
    Auch wenn ihr Spiel nach dieser Nacht beendet sein würde, bereitete es ihr eine gewisse Genugtuung, Julian zu demonstrieren, dass er nicht alles kontrollieren konnte, insbesondere nicht sie. Dies hier war ihr Abenteuer, und sie wollte ihren Spaß haben, selbst auf die Gefahr hin, ihn zu verärgern.
    Als sie schließlich alleine in ihrem Zimmer zurückblieb, schaute sie sich bestürzt um. Kein Wunder, dass der Wirt ihrem Blick ausgewichen war, als er den Raum verließ. Eine dicke Staubschicht bedeckte den Boden und den einzigen Stuhl. Er hatte erzählt, dass sie in letzter Zeit wenig Gäste gehabt hätten und er ein Mädchen hochschicken würde, um die Bettwäsche zu wechseln. Ein Schauer lief Rebecca über den Rücken. Sie hatte Angst vor dem, was sie vielleicht unter der Decke zu sehen bekam.
    Im Zimmer war es kalt, und es lagen kaum noch Kohlen in der Feuerstelle, um daran etwas zu ändern. Sie rüttelte am Rost, damit die Asche durchfiel, und rieb sich die Hände über dem bisschen Wärme, die von der Glut aufstieg. Wann wurde es endlich Sommer? Sie sah zum Fenster und fragte sich, wie kalt es wohl im Stall sein mochte. Aber bestimmt strahlte Julian selbst so viel Wärme ab, dass er nicht einmal eine Decke brauchte, dachte sie und kämpfte aufsteigende Schuldgefühle nieder. Er musste akzeptieren lernen, dass sie ihm gleichgestellt war und Entscheidungen gemeinsam getroffen wurden. Natürlich fiel ihm das nicht leicht, weil er die letzten zehn Jahre für seine ganze Familie denken und handeln musste.
    Wie er wohl als Achtzehnjähriger mit so großer Verantwortung umgegangen war? Resolut? Entspannt? Vielleicht auch ängstlich? Sie konnte es sich bei ihm nicht vorstellen. Als das Mädchen kam, um das Bett zu machen, bat Rebecca sie um Papier und Feder.
    »Madam, das werde ich Ihnen bringen, nachdem Sie ein Bad genommen haben.«
    Obwohl sich das himmlisch anhörte, sagte Rebecca: »Aber ich habe gar kein …«
    »Ihr Diener hat gesagt, dass Sie ein Bad brauchen, nachdem Sie den ganzen Tag unterwegs waren, Madam.«
    Jetzt bekam sie ernsthaft Schuldgefühle. »Danke«, murmelte sie leise.
    Als das Mädchen endlich gegangen war, legte Rebecca Haube und Tuch ab und schlang die

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