Ein verführerischer Akt
mehr als abschreckend wirkte.
Er erkannte, dass er bei Rebecca zu weit gegangen war, gegen seinen Willen, und dieser Kontrollverlust störte ihn. Eigentlich sollte er derjenige sein, der einen kühlen Kopf behielt. Stattdessen hätte er um ein Haar völlig die Beherrschung verloren.
Und er würde dafür leiden müssen, dachte er mit einem ironischen Lächeln.
Trotzdem: Er genoss dieses Spiel. Sie wollte geküsst werden … vielleicht erwartete sie sogar mehr. Sie musste lernen, dass eine derartige Neugier sie in Schwierigkeiten bringen konnte. Doch er beabsichtigte nicht, bis zum Äußersten zu gehen. Er wollte ihr ein intimes Abenteuer bieten, das sie zufriedenstellte und sie gleichzeitig davor bewahrte, ihren Ruf weiter in Gefahr zu bringen.
Sie brauchte keine Angst vor ihm zu haben, denn wenngleich seine Selbstbeherrschung Risse davongetragen haben mochte, würde sie standhalten.
Er war an der Zeit, zu ihr zurückzugehen, um keinen Verdacht zu erregen, falls doch jemand unerwartet vorbeikam. Vielleicht wäre er besser wieder durchs Fenster gestiegen, aber jetzt war es zu spät.
Leise klopfte er an. »Mrs Lambe? Dürfte ich noch kurz mit Ihnen reden?«, sagte er, damit sie wusste, wer draußen stand.
Als sie ihn hereinbat, schlüpfte er schnell und leise durch die Tür und blieb stehen. Sie stand vor dem Kamin und kämmte das lange Haar. Sie trug ein frisches Unterkleid, und ein Tuch war züchtig um ihre Schultern gelegt. Auf Nachthemden hatte sie verzichtet, um ihre Finanzen zu schonen. Ausgebreitet auf Tisch und Stuhl lagen ausgewaschene Kleidungsstücke zum Trocknen, darunter auch seine eigenen.
»Sie hätten meine Sachen nicht waschen müssen, Rebecca – trotzdem vielen Dank.«
Sie nickte und musterte ihn. Man sah ihr deutlich an, dass sie an das dachte, was zwischen ihnen vorgefallen war, ohne es zu bedauern. Er fühlte sich erleichtert.
Er schaute zum Badezuber hin. Auf dem Wasser schwamm eine dünne Seifenschicht. »Was ist mit den Hautabschürfungen?«
Sie schien überrascht, dass er sich überhaupt daran erinnerte. »Da ich kein Korsett getragen habe, heilt alles gut ab.«
»Keine Rötungen oder Eiter?«
Sie hörte auf, sich zu kämmen, und sah ihn schief an. »Sie sprechen mit einer Frau, die alle Anzeichen einer Infektion kennt.«
»Natürlich.« Er schlüpfte aus seiner Jacke und fing an, den Kragen seines Hemdes aufzuknöpfen. Ihre braunen Augen beobachteten ihn dabei, und fast hätte er sie ermahnt, sich umzudrehen, beschloss dann jedoch, ihre Reaktion abzuwarten. »Sie werden nicht wie ich nach unten in den Schankraum gehen, denn das ist kein passender Ort für eine Dame«, sagte er nur.
Sie zögerte, drehte sich wieder zur Feuerstelle, um ihr Haar zu trocknen. Er hätte vor Enttäuschung fast einen Seufzer ausgestoßen.
»Sollten wir nicht frisches Wasser kommen lassen?«, fragte sie.
»Das reicht mir.« Schnell zog er sich aus und ließ sich in das mittlerweile nur noch lauwarme Wasser sinken, das ihm kaum bis zur Taille reichte. Rasch wusch er sich, denn bequem fand er es in der Wanne nicht, die eindeutig nicht für einen Mann seiner Größe taugte.
»Während Sie unten waren, habe ich einen Brief an meine Tante geschrieben«, erzählte sie ihm.
»Wir werden ihn morgen aufgeben. Wir haben genug Zeit, weil das neue Fuhrwerk erst gegen Mittag losfährt.«
»Sind Sie sicher, dass Ihnen das nicht zu spät ist?«
»Haben wir eine andere Wahl? Wenn wir wieder den gleichen Wagen wie heute nehmen, müssen wir auch bei den alten Namen bleiben, und das erhöht die Gefahr, dass mögliche Verfolger uns aufspüren. Jedenfalls sind wir leichter ausfindig zu machen, falls jemand Fragen stellt.«
»Vielleicht tun die Männer ja das Gleiche wie wir, nämlich den Künstler aufsuchen. Eastfield hat kein Geheimnis aus seiner Reise gemacht.«
»Daran habe ich ebenfalls schon gedacht«, erklärte er, ohne seine Sorge zu zeigen. »Genau deshalb müssen wir umsichtig vorgehen und nichts überstürzen. Andererseits: Warum sollten sie sich für den Maler interessieren, wo sie doch wissen, dass Sie den Diamanten bei sich tragen?«
»Ich könnte ihn zurückgelassen haben.«
»Das würde Ihre Familie in Gefahr bringen. Die wissen, dass Sie dieses Risiko nicht eingehen. Warum wären Sie sonst geflohen?«
Er hörte, wie sie einen Seufzer ausstieß. »Ich sollte wohl zu Bett gehen …«
Offensichtlich hatte sie vergessen, dass er noch in der Wanne saß, denn sie drehte sich um. Er zog eine Augenbraue
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