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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Callen
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lernen? Allerdings war der Anblick seiner im Kerzenschein glänzenden nassen Haut nicht zu verachten. Ebenso nicht der ganze Mann, der zwar mit seinen mehrere Tage alten Bartstoppeln ein wenig finster wirkte, aber zugleich umwerfend männlich. Ihn nur anzuschauen versetzte sie schon in Aufruhr und löste ein schmerzhaftes Sehnen in ihr aus. Sie wollte mehr von dieser Leidenschaft erleben, von der sie eine Kostprobe genießen durfte, viel mehr. Wie sollte sie ihn bloß zwingen?
    Schließlich kam er zum Bett und setzte sich auf die Kante, um die Hose auszuziehen. Stattdessen hatte er sein Hemd wieder übergestreift, dieser dumme Kerl. Trotzdem kuschelte sie sich an seinen breiten Rücken.
    »Du hast zu viel an«, murmelte sie.
    Sie konnte sein Profil sehen, als er ihr über die Schulter einen Blick zuwarf.
    »Du wirst morgen früh Kopfschmerzen haben«, meinte er.
    »Du hörst dich total zufrieden an.«
    »Glaub mir, das bin ich nicht.« Er schüttelte sein Kopfkissen auf und schob es sich unter den Kopf.
    »Ich bin nicht so unschuldig, dass mir die Zweideutigkeit deiner Worte entgehen würde.«
    Er lachte.
    Sie schlang einen Arm um seine Taille und bemerkte überrascht, wie sich sein Körper anspannte und sein Lachen deutlich erstickter klang. »Hast du Angst vor mir, Julian?«, flüsterte sie und drückte sich fester an ihn.
    »Schlaf jetzt, Rebecca«, erwiderte er.
    Sie gab einen lauten Seufzer von sich, während sie ihre Schenkel an seine schob. »Du bist so schön warm«, murmelte sie.
    Er gab keine Antwort.
    Sie verfiel in ein mürrisches Schweigen und schlief schließlich ein.
    Am späten Nachmittag kamen sie in Manchester an, und Julian verspürte eine erwartungsvolle Neugier. Die Stadt ähnelte London: groß und weitläufig und ebenfalls unter einer Dunstglocke liegend, die alles einhüllte. Am Ufer der Kanäle und Flüsse standen Fabriken, aus deren hohen Schornsteinen Rauch quoll. Rebecca, die Gott sei Dank wieder ein Kleid trug, saß neben ihm im Fuhrwerk und musterte aufmerksam die Menschenmassen, die durch die Straßen strömten. Arbeiter, die aus den Fabriken kamen und nach Hause strömten, elende, hungrige Jungen, die sich mit kleinen Diebstählen über Wasser hielten, Frauen, die ihre Einkäufe vom Markt in ihre Wohnungen trugen.
    Viele der Männer, an denen sie vorbeifuhren, starrten Rebecca an, und sie zog ihre Haube tiefer ins Gesicht. Trotz Verkleidung und Reisestaub und trotz Müdigkeit fielen ihre Schönheit und ihre Andersartigkeit auf.
    Gegen Abend verließen sie das Fuhrwerk bei einem Gasthaus in der Nähe des Bridgewater-Kanals. Julian war voller Ungeduld, denjenigen aufzuspüren, dessentwegen sie die lange Reise überhaupt gemacht hatten: Roger Eastfield, der ihm eine Antwort schuldete, wie er in den Besitz des wertvollen Diamanten gelangt war. Anders als er schien Rebecca kein bisschen aufgeregt und für ihre Verhältnisse sehr ruhig. Verwunderlich, dachte er, doch er würde den Grund schon noch herausfinden.
    Wie viel Zeit blieb ihm mit ihr? Falls Eastfield alle Fragen zu seiner Zufriedenheit beantwortete und sie den beiden Verbrechern nicht zufällig über den Weg liefen, gab es keinen Grund mehr, mit ihr weiter in der Gegend herumzuziehen. In diesem Fall musste er sie nach London zurückbringen. Würde sie freiwillig gehen?
    Bei diesem Gedanken überkam ihn das deprimierende Gefühl, dass sein Leben viel schaler sein würde, wenn sie nicht mehr bei ihm war – ihn nicht mehr unterhielt und verwirrte. Es gab noch so vieles, was er ihr zeigen wollte, um sie auf das unkonventionelle Leben vorzubereiten, nach dem sie sich sehnte.
    Der Wirt, den er nach Eastfield fragte, wusste nur wenig über die Kunstszene der Stadt, kannte aber immerhin das Royal Manchester Institute in der Mosley Street.
    »Malerei ist Zeitverschwendung«, erklärte der glatzköpfige Mann finster, »und das Institut ist eine Verschwendung des schwer verdienten Geldes der Steuerzahler.«
    »Ich suche nach meinem Cousin«, erwiderte Rebecca entschuldigend. »Er ist Künstler – ich wüsste nicht, wo ich sonst anfangen sollte, nach ihm zu suchen.«
    Der Wirt stieß ein Schnauben aus, ließ sich aber überreden, ihnen den Weg zur Mosley Street zu erklären.
    Als sie auf der geschäftigen Straße standen, meinte Julian: »Es ist zu weit, um den ganzen Weg zu Fuß zu gehen. Wir werden eine Droschke mieten müssen, nur bleibt uns kaum noch Geld für Unterkunft und Essen übrig.«
    Sie schob ihre Hand unter seinen Arm. »Sollen

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