Ein verführerischer Akt
berührten ihn zutiefst und schlugen eine erste Bresche in die Verteidigungsmauern, mit denen er sich umgeben hatte. Dann schob er sie weg, zog sich das feuchte Tuch über das Gesicht und lief nach drinnen.
Er duckte sich, um nicht zu viel von dem Rauch einzuatmen, der unter der Decke hing. Von irgendwoher konnte er das Knistern von Flammen hören, ohne sie allerdings zu sehen. Und so war es stockfinster im Haus, denn kein Lichtstrahl durchdrang das schwarze, qualmende Dunkel. Mit ausgestreckten Armen, um nirgendwo anzustoßen, lief er blind weiter.
»Eastfield«, brüllte er, aber seine Stimme schien vom Prasseln des Feuers, dem er immer näher kam, verschluckt zu werden.
Dann stolperte er über einen leblos am Boden liegenden Körper, tastete ihn ab und stellte fest, dass es sich um eine einfach gekleidete Frau, wahrscheinlich ein Dienstmädchen, handelte. Sie reagierte nicht mehr. War sie durch das Feuer oder den Rauch umgekommen?
Dann spürte er, dass ihre Stirn klebriges Blut bedeckte, das aus einer Wunde sickerte. War das bei einem Sturz geschehen, oder hatte man ihr die Verletzung vorsätzlich beigebracht? Wenn ja, dann handelte es sich vermutlich hier nicht nur um Brandstiftung.
Er ging weiter in den vorderen Teil des Hauses, um nachzuschauen, ob dort jemand seine Hilfe brauchte. Als er das Vestibül erreichte, sah er, dass Feuerzungen am Rahmen einer offenen Tür hochleckten. Hitze schlug ihm in glühenden Schwaden entgegen, versengte ihm die Haut an den Händen und im Gesicht. Ein Vorhang aus Flammen rahmte die Fenster ein, die zur Straße hinausgingen und deren Scheiben zu bersten begannen. Wie Teufelskrallen lief das Feuer an der Decke entlang und kam auf Julian zu.
In einem Zimmer sah er auf dem Teppich zwei weitere Körper liegen. Gebückt lief er dorthin und bückte sich zu ihnen herunter. Der Mann schaute blicklos mit gebrochenen Augen zur Decke hoch, und im Schein der Flammen erkannte Julian auch bei ihm eine schwere Kopfverletzung, die vermutlich seinen Tod verursacht hatte. Es gab nichts, was er noch für ihn hätte tun können.
Neben dem Toten lag eine grauhaarige Frau, die zur Hälfte den Körper des Toten bedeckte, als habe sie sich schützend auf ihn geworfen. Sie stöhnte und hustete schwach. Julian zögerte keine Sekunde, nahm sie hoch und rannte den Weg zurück, den er gekommen war, denn den Vordereingang hatte die Flammenwand bereits unpassierbar gemacht.
Der Qualm trieb ihm Tränen in die Augen, seine Lunge brannte von dem Rauch, den auch das nasse Halstuch nicht fernhalten konnte. Hinter sich hörte er ein entsetzliches Splittern und Krachen und spürte die Hitze des sich ausbreitenden Feuers. Ohne einen Blick zurück strebte er, vorbei an dem toten Dienstmädchen, dem Hinterausgang zu.
Und dann war er draußen im jetzt taghell erleuchteten Garten, über dem sich der dunkle, kalte Himmel wölbte.
»Julian!« Als Rebecca seinen Namen rief, klangen aus ihrer Stimme gleichermaßen Sorge und Erleichterung … und erstickte Tränen.
Benommen folgte er ihr, weg vom Haus, das einzustürzen drohte.
»Setz sie hier ab«, sagte Rebecca und deutete auf eine Bank.
Er war froh, die Last loszuwerden, denn noch immer quälten ihn seine Lungen. Er riss sich das Tuch vom Gesicht, stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und hustete und hustete, bis er das Gefühl hatte, platzen zu müssen. Wie durch einen Nebel nahm er wahr, dass Rebecca neben der alten Frau kniete, die ebenfalls hustete und dabei ein gefährlich rasselndes Geräusch hören ließ.
Als der Anfall abflaute, entspannte sie sich und murmelte: »Roger … Roger …«
Rebecca warf ihm über die Schulter einen fragenden Blick zu, doch Julian presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf.
»Es tut mir so leid wegen Ihres Sohnes, Mrs Eastfield«, sagte sie leise. »Aber Sie müssen jetzt ganz ruhig sein und Ihre Kräfte sammeln.«
Die Frau schob die tröstenden Hände beiseite. »Wofür denn? Es gibt keinen … Grund mehr. Ich war bereits … dem Tod nahe und hätte nie gedacht … dass mein armer Junge vor mir gehen würde.« Sie schloss die Augen und vergoss mit bebendem Körper lautlos Tränen.
»Roger ist nicht durch das Feuer umgekommen«, sagte Julian, als er sich neben Rebecca hinkniete. »Sondern durch etwas anderes.«
Sie schaute ihn erschrocken an, sagte jedoch nichts.
»Er wurde ermordet«, flüsterte die alte Frau mit kratziger Stimme. »Direkt vor meinen Augen. O Gott …« Sie fing wieder
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