Ein verfuehrerischer Handel
einfach viel zu rar.
Als sie sich dem Hauptportal näherten, sah sich Ariel hastig um; sie suchte nach Mrs. O’Grady - doch dann fiel ihr ein, dass die Haushälterin ein paar Tage Urlaub genommen hatte, um Verwandte zu besuchen, die außerhalb der Stadt wohnten.
»Lieber Gott«, flüsterte sie, als die Wachleute sie die
Vordertreppe hinunter und in die wartende Amtskutsche schubsten. Sie war völlig verschreckt und hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie tun sollte. Einen Augenblick lang dachte sie an Justin - aber sie bezweifelte, dass er ihr helfen würde ... selbst wenn sie einen Weg fände, ihn zu benachrichtigen. Und wenn er ihr half, dann ahnte sie bereits, was er dafür von ihr erwartete.
Ariel kämpfte mit den Tränen und lehnte sich in dem zerschlissenen Ledersitz der Kutsche zurück. Sie starrte in die mitleidlosen Gesichter ringsum und fragte sich, wie das wunderschöne Leben, das sie sich früher einmal erträumt hatte, nur so aus dem Ruder laufen konnte.
Zum zweiten Mal rückte Justin den Knoten seiner weißen Krawatte zurecht und zog an den Manschetten seines feinen Baumwollhemdes. Er war gekleidet in einen taubengrauen Rock, eine Weste aus Silberbrokat und burgunderfarbene Hosen - ein letztes Mal überprüfte er sein Aussehen vor dem Spiegel, dann begab er sich in die Halle.
Er war auf dem Weg zu Lord Horwicks Haus, entschlossen, Ariel davon zu überzeugen, dass sie in das Stadtdomizil zöge, das er für sie gemietet hatte. Vor vier Tagen hatte er dem Grafen eine Aufforderung zu einem Treffen geschickt, weil er ihm deutlich machen wollte, dass Ariel unter seinem Schutz stand; Horwick sollte es niemals mehr wagen, ihr nachzustellen - doch offensichtlich hatte der Graf die Stadt verlassen.
Justin dankte dem Himmel dafür. Sie also in Sicherheit wissend, hatte er die nächsten drei Tage mit gründlichen Überlegungen verbracht, was er sagen wollte. Am Ende nahm er sich ganz einfach vor, sie mit Gewalt wegzubringen - falls sie sich weigerte, seine Argumente anzuhören.
Mit diesem Ziel im Sinn sprang er die Vortreppe hinunter und in seine Kutsche.
Es dauerte nicht lange, bis er die gewünschte Adresse erreicht hatte. Nachdrücklich betätigte er den Türklopfer aus Messing und der untersetzte Butler öffnete ihm.
»Guten Tag, Mylord. Es tut mir Leid, Euch mitteilen zu müssen, dass Lord Horwick nicht zu Hause ist.«
»Das weiß ich. Ich bin gekommen, um Miss Summers zu besuchen.«
»Miss Summers?«
»Ganz richtig!« Justin starrte an dem dicken Zwerg vorbei in die Eingangshalle. »Ich habe es ziemlich eilig, mit ihr zu sprechen. Wenn Ihr ihr freundlicherweise ausrichten würdet, dass ich hier bin ...«
»Es tut mir Leid, Mylord, aber Miss Summers ist nicht ... Miss Summers ist nicht mehr bei Lord Horwick angestellt.«
Justins Blick durchbohrte den Butler und dessen Gesicht nahm eine leicht grünliche Färbung an. »Soll das heißen, dass sie nicht im Haus ist?«
»Hm, Mylord ...«
Ein Gefühl der Übelkeit machte sich in seinem Magen breit. »Wohin ist sie gegangen?«
»Ich bin nicht ... bin nicht sicher, Mylord.«
Es lag etwas Verdächtiges im Verhalten des Mannes. Justins Hand fuhr vor, er packte den Stumpen an seinem weißen Hemd und zog ihn hoch. »Dann findet jemand, der es sicher weiß - und zwar sofort!«
Justin ließ ihn wieder los, der entsetzte Angestellte rannte davon und verschwand im Inneren des Hauses. Justin lief unruhig in der Halle hin und her, während er auf seine Rückkehr wartete; Furcht begann in ihm aufzusteigen. Wohin war sie gegangen? Warum war er nicht schon früher gekommen?
Als die Uhr die nächste Stundenzahl schlug und der Butler nicht zurückkehrte, machte sich Justin auf in die Richtung, in der er verschwunden war.
Er hatte erst ein paar Schritte getan, als die Haushälterin, eine robuste, grauhaarige Frau herbeigeeilt kam. »Lord Greville, Gott sei Dank seid Ihr hier! Ich bin Mrs. O’Grady - Lord Horwicks Haushälterin.«
Bei Horwicks Namen verspürte Justin einen dicken Kloß im Hals.
»Ich bin außer mir gewesen, als ich die Geschichte erfuhr«, sprudelte es aus ihr heraus. »Ich war weg, müsst Ihr wissen, zu Besuch bei meiner Tante, und bin erst heute Morgen zurückgekommen.«
»Wo ist sie? Wo ist Ariel?«
»Oh, Mylord, wir haben eine schreckliche Sache.«
Justin packte die Frau an beiden Armen. »Mrs. O’Grady, bitte ... sagt mir, was geschehen ist!«
Ihr besorgter Blick ruhte auf seinem Gesicht. »Es hat eine ... eine Art
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