Ein verfuehrerischer Handel
»Öffnet die Zelle!«
Der Kalfakter gehorchte, das rostige Schloss knirschte, die eiserne Tür schwang auf. Justin trat in die Zelle und bahnte sich einen Weg durch die Frauen, die auf dem Boden lagen; diejenigen, die standen, schob er beiseite.
»He, Schätzchen!«, rief eine von ihnen. »Bist du meinetwegen gekommen?« Einige der Insassinnen lachten, doch Justin ignorierte sie. Als er die Stelle erreichte, wo Ariel hockte, kniete er langsam neben ihr nieder. Im Licht der Laterne sah ihre Haut so blass aus wie Marmor, ihre Augen waren so ausdruckslos, dass es ihm die Kehle zuschnürte.
»Ariel, Liebling, ich bin Justin. Kannst du mich hören?«
Ihre Augen flackerten, langsam ging ihr Blick zu seinem Gesicht. »Justin?«
»Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen.« Er bückte sich, schob die Arme unter ihre Knie und hob sie an seine Brust, Ariel drückte ihr Gesicht an seine Schulter. Er fühlte, wie sie zitterte und zu weinen begann.
Der Kloß in seinem Hals schmerzte. Justin trat durch die schwere Eisentür, marschierte an den langen Reihen der Zellen vorbei und dann die Treppe hinauf. Er blieb erst stehen, als er vor dem Gebäude angekommen war, den Sonnenschein auf seiner Haut spürte und frische Luft in seine Lungen pumpte. Weiter ging es durch das große Haupttor, über den gepflasterten Weg, bis er seine Kutsche erreichte. Schnell stieg er ein, nahm Ariel auf den Schoß und legte beschützend einen Arm um sie. Ein Lakai schloss den Schlag, und ein paar Sekunden später rollte die Kutsche los.
»Es ist alles gut«, versicherte er ihr sanft und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. »Alles wird wieder gut.« Sie fühlte sich so zerbrechlich an, so schwach. Offensichtlich hatte sie nichts gegessen. Die Ringe unter ihren Augen verrieten ihm, dass sie auch nicht geschlafen hatte.
Ariel gab ein leises, wimmerndes Geräusch von sich, und Justin zog sie noch fester in seine Arme. Er flüsterte beruhigende Worte und wiegte sie zärtlich, bis sie in der Brook Street angekommen waren. Dort brachte er sie auf schnellstem Wege ins Haus.
Knowles kam auf ihn zugelaufen, sein sonst so stoisches Gesicht war alarmiert. »Gütiger Himmel!«
»Lasst eine Wanne vorbereiten und bringt sie in ihr Schlafzimmer.«
»Jawohl, Mylord!«
»Sie wird auch etwas zu essen brauchen.«
»Ich werde mich persönlich darum kümmern.«
Justin nickte dankbar und trug Ariel in das Zimmer, in dem sie zuvor geschlafen hatte; vorsichtig setzte er sie auf die Kante des Himmelbettes. »Bist du verletzt?«, fragte er sanft.
Einen Augenblick lang schlossen sich ihre Augen, und sie schüttelte langsam den Kopf. Sie sagte gar nichts, starrte nur auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. Als Justin in ihr erschöpftes Gesicht blickte, zögerte er einen Augenblick, dann begann er, die Knöpfe ihrer schmutzigen Baumwollbluse zu öffnen.
»Die Jungen bringen eine Wanne«, erklärte er ihr leise. »Wir müssen dich erst einmal aus diesen alten Sachen holen.«
Ariels Hand hielt die seine fest. Große blaue Augen rich-teten sich auf sein Gesicht. »Es geht schon - ich kann das allein.«
»Bist du auch sicher, dass du nicht verletzt bist? Die Wachen haben dich doch nicht ... sie haben dir nicht wehgetan?«
Sie schluckte. »Nein.«
Ein paar Jungen kamen mit einer Wanne dampfenden Wassers. Justin wartete, bis sie sie mitten in das Zimmer gestellt hatten, dann stand er auf und wollte gehen.
»Ich schicke dir Silvie, damit sie dir hilft.«
»Danke.«
Er rief nach Silvie, die ihr als Zofe gedient hatte; dann lief er nervös vor der Tür des Schlafzimmers auf und ab, bis das dunkelhaarige Mädchen sie schließlich öffnete und wieder in den Flur trat.
»Wie geht es ihr?«, fragte er im gleichen Augenblick, als sich die Tür hinter ihr schloss.
»Sie schläft, Mylord. Vor lauter Erschöpfung ist sie eingeschlafen, noch ehe sie die Möglichkeit hatte, etwas zu essen.«
Justin stieß den Atem aus. »Ich werde eine Weile bei ihr sitzen bleiben ... weil sie jetzt nicht allein sein soll.«
»Aye, Mylord!«
Auf Zehenspitzen trat er ein, sorgfältig bemüht, sie nicht aufzuwecken, und setzte sich in einen Sessel neben dem Bett. Sie schlief unruhig und schien unangenehme Träume zu haben. Immer, wenn sie begann, sich hin und her zu werfen, hielt Justin ihre Hände. Dadurch beruhigte sie sich sofort und schlummerte wieder ein.
Sie schlief den ganzen Tag, bis zum Abend und spät in die Nacht hinein. Er sagte sich, dass er gehen
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