Ein verführerischer Pakt
auszuschalten.
"Unsinn, Lily", murmelte sie vor sich hin. "Schließlich bist du kein dummes Gänschen mit romantischen Anwandlungen! Benimm dich!" Sie lachte leise auf und war in diesem Moment dankbar, dass sie keine Zofe hatte, die über ihre geheimen Marotten wahrscheinlich entsetzt die Nase gerümpft hätte.
Gleich zu Beginn ihrer Ehe mit Jonathan hatte sie darauf bestanden, sich allein zu waschen und anzuziehen, wie sie es schon immer gehandhabt hatte. Das weckte den Zorn ihrer Schwiegermutter und brachte sogar Jonathan dazu, missbilligend die Brauen hochzuziehen. Doch das war eines der Zugeständnisse an ihre Erziehung, die sie zur Bescheidenheit angehalten hatte.
Zugegeben, ihre Entscheidung hatte mindestens genauso viel damit zu tun, dass sie ihre eheliche Privatsphäre schützen wollte. Zofen waren von Haus aus neugierig. Wenn sie jetzt beispielsweise eine gehabt hätte, wäre dieser sofort aufgefallen, was sich in der vergangenen Nacht in Lilys Bett abgespielt hatte. In kürzester Zeit hätte die gesamte Dienerschaft darüber Bescheid gewusst.
Kopfschüttelnd verdrängte sie ihre müßigen Gedanken, kleidete sich rasch an und ging hinunter, um den Tag zu beginnen.
Mrs. Prine teilte ihr mit, dass Guy und Beau sich zum Unterricht im Kinderzimmer befanden und dass seit einer Viertelstunde ein Gast im Salon auf sie wartete. Es handelte sich um Mrs. Oliver, die Frau des Vikars, der Nachfolger von Lilys Vater in Edgefield geworden war.
Lily eilte zu ihrer Besucherin, um sie zu begrüßen. Es war ihr etwas peinlich, an diesem Morgen so lange im Bett geblieben zu sein. Es war schon beinahe zehn Uhr, für Stadtmenschen eine relativ frühe Zeit, um eine Aufwartung zu machen, nicht aber für die Landbevölkerung. "Mrs. Oliver, wie reizend von Ihnen, dass Sie gekommen sind."
Die Frau strahlte. "Sie haben also unseren Lord Guy geheiratet. Wir alle freuen uns sehr über diese Neuigkeit, Mylady!"
"Vielen Dank." Lily nahm einen Umschlag entgegen, den Mrs. Oliver ihr reichte.
"Das ist eine Einladung, Mylady. Wir wären Ihnen äußerst verbunden, wenn Sie diese annehmen würden. Es werden viele da sein, die sich noch daran erinnern, wie Sie als Kind den Reverend begleitet haben, wenn er die Alten und Kranken besuchte. Sie haben Sie aufwachsen sehen und sie haben Sie vermisst, als Sie Lord Bradshaw heirateten und hierher zogen."
Lily hatte stets die gesellschaftliche Distanz bedauert, die ihre erste Ehe mit sich gebracht hatte. Ihr Vater war schon bald nach ihrer Hochzeit mit Jonathan gestorben, und damit war das Band, das sie mit Edgefield verknüpfte, durchtrennt worden. Zwar sah sie die Frau des jetzigen Vikars an diesem Morgen zum ersten Mal, aber Mrs. Oliver schien aufrichtigen Wert darauf zu legen, dass Lily die Teegesellschaft besuchte, die die Frauen der früheren Gemeinde ihres Vaters ihr zu Ehren geben wollten.
Ohne Zweifel hatte Guys Haushälterin die Neuigkeit von ihrer Hochzeit gleich nach ihrem Zwischenaufenthalt in Edgefield Manor im Dorf verbreitet. "Ich komme sehr gern, Mrs. Oliver. Wie lieb von Ihnen, mich einzuladen!"
Die Frau des Vikars nickte zufrieden. "Dann erwarten wir Sie also übermorgen Nachmittag um zwei Uhr."
"Ich nehme an, es werden nur Damen anwesend sein?"
"Ja, Mylady. Das ist der reguläre Termin für unseren wöchentlich stattfindenden Gesprächskreis. Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn wir dabei ein wenig über unsere Pläne für wohltätige Arbeiten sprechen."
Also gab es noch einen anderen Grund, als nur die Tochter des früheren Vikars zu begrüßen und ihr zu gratulieren. Lily drückte mit beiden Händen die von Mrs. Oliver. "Aber nur, wenn Sie mir gestatten, Sie in Ihren Bemühungen zu unterstützen!"
"Mylady, das wäre zu großzügig von Ihnen! Vielleicht ziehen Sie es ja auch in Betracht, ab und zu wieder den Gottesdienst in Edgefield zu beehren. Immerhin war Ihr Vater ja früher Vikar in diesem Ort, und der Earl und Lord Duquesne sind dort ebenfalls ansässig …"
"Selbstverständlich!" Sie hatte die hübsche alte Kirche und ihre Gemeinde vermisst. Sie war weitaus weniger imposant und deutlich näher gelegen als das Gotteshaus, das sie mit Jonathan in Maidstone besucht hatte. "Es wird uns eine Freude sein. Ich spreche gleich mit meinem Mann darüber."
Lily hatte keine Ahnung, ob Guy sie dahin begleiten würde oder ob er überhaupt gläubig war, aber sie war fest entschlossen, gleich am nächsten Sonntag dem Gottesdienst in Edgefield beizuwohnen und Beau
Weitere Kostenlose Bücher