Ein verführerischer Schuft
in ihrem Lieblingsrevier. Während er sich ihr näherte, sah er, wie Alicia vortrat und einen der jüngeren dieser Brüder ansprach, der sie bis dahin unklugerweise übersehen hatte.
Es war sogleich an der Miene des jungen Mannes ersichtlich, dass die paar Worte, die sie gesagt hatte, ihr Ziel getroffen hatten; seine Züge verhärteten sich, seine Lippen wurden schmal. Nach einem letzten Blick zu Adriana trollte er sich, um leichtere - weniger gut behütete - Beute zu finden.
Zwischen Tonys Schulterblättern prickelte es unangenehm. Adriana und ihre Schönheit waren eine Gefahr geworden. Sie war zu jung, um das Interesse der wirklich gefährlichen Lebemänner zu erregen, aber sie lenkte dennoch ihre Blicke auf sich, die dann weiterwanderten - zu ihrer Schwester. Die viel mehr dazu geeignet war, die Aufmerksamkeit eines echten Kenners auf sich zu ziehen.
Er erreichte Alicia, die an diesem Abend eine Kreation in einem blassen Bronzeton trug, deren Saum mit kleinen Perlen bestickt war. Er nahm die Hand, die sie ihm reichte, hob sie beinahe geistesabwesend an die Lippen, dann sah er ihr in die Augen, während er einen Kuss auf ihre Finger hauchte.
Ihm entging nicht, dass ihr zarte Röte in die Wangen stieg.
Sie versuchte ihm ihre Hand zu entziehen, aber er legte sie sich auf den Ärmel, bedeckte sie mit seiner.
»Ich muss mit dir sprechen.« Er schaute zu Adriana und dem Kreis ihrer Bewunderer.
»Und bevor du gleich einwendest, dass du hierbleiben musst und deine Schwester beschützen, und das trotz deines Einschreitens eben, so lass dir versichern, dass du es eben nicht musst.«
Sie runzelte die Stirn.
»Das ergibt keinen Sinn.«
»Doch, wenn du den wichtigsten Umstand berücksichtigst.« Nach einem letzten Blick zu Adrianas Hofstaat drehte er sie um und führte sie den lang gestreckten Raum entlang.
»Wenn du nicht eingeschritten wärest, hätten entweder Sir Freddie oder Geoffrey das getan. Oder sogar Montacute. Sie liegen deiner Schwester seit Wochen zu Füßen - keiner von ihnen wird es dulden, dass irgendein Wüstling auf die Idee kommt, in ihrem Revier zu wildern und ihnen die Beute vor der Nase wegzuschnappen.«
Sie runzelte immer noch die Stirn, mehr verwirrt als verärgert, sie ging aber an seiner Seite mit ihm weiter.
»Bei dir klingt das wie ein Wettstreit. Ein sportlicher Wettkampf.«
»Es ist eine Art Spiel, gleichgültig auf welcher Seite du stehst.« Er erspähte eine Stelle zwischen zwei Gruppen Topfpalmen; geschickt schlüpfte er mit ihr dazwischen.
»Aber davon einmal abgesehen …«
Er brach ab, unsicher, wie er weitermachen sollte. Wie er das in Worte fassen sollte, was er zu fragen hatte. Er schaute sie an; sie beobachtete ihn, nicht argwöhnisch, sondern offen, geradeaus.
»Ich bin heute Abend zufällig durch die Waverton Street gefahren und habe gesehen, wie Mr. King aus eurem Haus getreten ist.«
Ihr Blick blieb fest. Sie schaute ihn weiter aufmerksam an.
»Ich habe erwähnt, dass ich Mr. King im Verlauf meiner Ermittlungen getroffen habe. Ist er … ein Bekannter von euch?«
Ohne zu zögern nickte sie, dann schaute sie an ihm vorbei in den Saal.
»Ja - er ist genau das, ein Bekannter.«
Alicia ließ einen kleinen Moment verstreichen, dann fragte sie, den Blick weiter auf die Menge gerichtet:
»Möchtest du wissen, weshalb er vorgesprochen hat?«
Sie hörte den zischenden Laut, als er Luft durch seine Zähne blies.
»Ja.«
Sie hatte angenommen, dass er von Kings Besuch erfahren würde; daher hatte sie sich eine Erklärung zurechtgelegt.
»Wir haben seine Bekanntschaft vor ein paar Monaten gemacht, durch Angelegenheiten wegen der Besitzungen meines verstorbenen Mannes. Mr. King wusste von unserem Vorhaben, Adriana in die gute Gesellschaft einzuführen, damit sie sich vorteilhaft verheiratet.« Sie schaute zu ihm auf und stellte fest, dass er sie genau beobachtete.
»Er hat angeboten, uns sein Wissen über die finanzielle Situation der Herren zur Verfügung zu stellen, die Adriana in die engere Wahl zieht.«
Der Ausdruck in seinen Augen war unbezahlbar. Er war überrascht, konnte seinen Ohren kaum glauben … Und sie spürte es, als er es dann tat.
Sein Blick wurde wachsam.
»Was hat Mr. King über Geoffrey gesagt?«
Sie verzog das Gesicht, ließ ihn ihre Unsicherheit sehen.
»Dass seine Verhältnisse bestens sind. Er hatte nie mit Geldverleihern zu tun, aber sie hätten ihn gerne unter ihren Kunden. Seine Kreditwürdigkeit ist ausgezeichnet, sein Besitz ist in
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