Ein verfuehrerischer Tanz
… wenn ich dir wirklich etwas bedeuten würde, würdest du es nicht tun.
»Verdammt, Amelia.« Jack stellte sich zwischen sie und Spencer. »Das ist eine Sache unter Männern. Hör endlich auf, dich in mein Leben einzumischen.«
Bevor Amelia antworten konnte, lag Jack schon auf dem Teppich und krümmte sich vor Schmerzen. Spencer schüttelte seine Faust.
»Du …« Sie schnappte nach Luft und starrte ihn mit offenem Mund an. »Du hast ihn zu Boden geschlagen!«
»Ja, aber ich hätte gern kräftiger zugeschlagen.« Er fuhr sich durchs Haar. »Verdammt, d’Orsay, reiß dich gefälligst zusammen und steh auf.«
Ein verblüffter Jack rappelte sich auf und rieb sich das Kinn.
»Und jetzt entschuldige dich.«
»Tssuldijung«, brachte er zwischen seinen anschwellenden Lippen hervor.
»Nicht bei mir, du Idiot, sondern bei Amelia.«
Jack starrte auf das Blut an seinen Fingerspitzen, fluchte leise und lispelte:
»Tssuldijung, Ameeja.«
Spencer riss die Tür zur Bibliothek auf.
»Los, bringen wir es hinter uns.«
Es dauerte keine zwanzig Minuten.
Amelia wartete im Flur, die Arme vor der Brust verschränkt, und lauschte auf das unheilvolle Ticken der Standuhr. Mit jeder Minute, die verstrich, wurde sie nervöser. Wenn Spencer gewollt hätte, hätte er ihren Bruder bestimmt gleich in der ersten Runde schlagen können. Wahrscheinlich spielte er mit Jack, wie er mit ihr gespielt hatte. Er räumte ihm Chancen ein, bis Jack sich als Gewinner sicher wähnte … und ihr Bruder hatte keine Ahnung, dass er bloß über den Tisch gezogen wurde.
Endlich ging die Tür auf und Jack kam heraus. Amelia stürzte zu ihm und schaute ihn forschend an.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie. Sie brauchte erst gar nicht zu fragen, ob er gewonnen oder verloren hatte.
Er starrte ins Leere und strich sich über die Stirn. Ein dicker Bluterguss schimmerte bläulich rot auf seinem Kinn. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was jetzt aus mir werden soll. Ich dachte …« Er atmete langsam aus und drehte sich mit einem deprimierenden Lächeln auf den geschwollenen Lippen zu ihr um. »Ich hoffe, du hast mehr Glück als ich, Amelia. Das kannst du sicher brauchen, als Ehefrau von diesem Scheusal.«
Er küsste sie auf die Wange und eilte den langen, mit weichen Teppichläufern ausgelegten Flur hinunter.
»Warte«, rief sie ihm nach. »Du willst doch nicht etwa schon gehen, oder?«
Er reagierte nicht.
»Jack!«
Er blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um.
»Hast du noch genug Geld für die Rückfahrt?«
»Ja, es reicht gerade noch.«
»Wann sehe ich dich wieder?«
»Bald.« Er warf ihr über die Schulter einen undurchdringlichen Blick zu. »Oder nie.« Die Hände tief in die Jackentaschen vergraben, verschwand er in der Eingangshalle.
Amelia wirbelte herum und ging aufgebracht in die Bibliothek zurück.
»Wie konntest du ihm das antun? Wie kannst du mir das antun, du Schuft?«
Mit betont gelassener Miene schloss Spencer ein Schubfach seines Sekretärs und stand langsam auf. Dabei spannte das frisch gebügelte Leinenhemd über seinem Bizeps. Aha, er hatte sein Jackett beim Kartenspiel ausgezogen.
»Was spricht dagegen?« Sein Blick wanderte zu Leos Messingmünze, die auf dem Schreibtisch lag. Er nahm sie in die Hand. »Ich konnte nicht zulassen, dass er sie wieder mitnimmt. Nicht auszudenken, wenn er die Münze verloren oder irgendwo versetzt hätte, und sie wäre in die falschen Hände geraten.«
»Ja, aber weswegen musstest du sie ihm auf diese Weise abnehmen? Er ist in finanzieller Bedrängnis, und du willst diese Münze. Da hätte es doch bestimmt eine für beide Seiten einvernehmliche Lösung gegeben, oder?«
Er gestikulierte zur Tür.
»Du hast deinen Bruder gehört. Er wollte kein Geld. Der verdammte Idiot wollte spielen. Sollte ich sein Angebot ablehnen?«
»Ja! Du bist vernünftiger als er.«
»Dein Bruder ist kein Kind mehr. Nimm ihm nicht dauernd das Denken ab. Jack muss aus seinen eigenen Erfahrungen lernen.« Er verschränkte die Arme. »Vielleicht war ihm das ja eine Lehre.«
»Er hat daraus nichts gelernt, außer vielleicht dass er mich nie wieder besuchen wird.«
»Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich das bedaure, wäre das eine glatte Lüge.« Er umrundete den Schreibtisch.
»Aber ich bedaure es, sehr sogar!« Die Vorstellung, Jack wieder in London zu wissen, war niederschmetternd. Dort würde es mit ihm garantiert weiter bergab gehen.
»Verdammt, Jack ist ein schlimmer Finger. Der Kerl nimmt dein Geld
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