Ein verfuehrerischer Tanz
Cambridge zu reiten, um mein Studium wieder aufzunehmen.«
Das Herz klopfte ihr vor Freude bis zum Hals, und sie hätte sich fast an ihrem Tee verschluckt. Es war ein rundum gelungener Tag! Erst ihr Gespräch mit Spencer, in dessen Verlauf deutlich wurde, dass er im Grunde seines Herzens ein gutmütiger, umgänglicher Mensch war. Und dann Jacks Überraschungsbesuch und seine Ankündigung, sich zu läutern.
Jack konnte ein paar Wochen bei ihnen bleiben, weit weg von seinen zwielichtigen Freunden. Spencer würde bestimmt einen positiven Einfluss auf ihn ausüben. Vielleicht wohnte ihr Bruder sogar länger hier, wenn er wieder studierte – Cambridge lag nur neun Meilen entfernt. Mit der Zeit fände Spencer sicher ein Auskommen für Jack: eine schöne Stelle als Vikar, mit ein paar hundert Pfund Jahreseinkommen. Das war zwar kein Vermögen, aber es reichte für ein angenehmes Leben – mehr durfte der vierte Sohn aus einer verarmten Adelsfamilie nicht erwarten. Wenn Jack den Sommer über bei ihnen blieb, würde sie Briarbank kaum vermissen.
Sprühend vor Optimismus tat Amelia ein Stück Zucker in ihren Tee.
»Wer hat es denn gemietet? Ich meine Briarbank?«
Statt ihr zu antworten, stand Jack auf. Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, warum.
Spencer stand in der Tür zum Salon, frisch gebadet und tadellos gekleidet mit blütenweißem Leinenhemd und erdbraunem Tweed.
Du meine Güte. Sie erinnerte sich an das Stelldichein im Stall, und sinnliche Erregung überwältigte sie für einen Augenblick. Nach Jacks Ankunft hatte Amelia das Feuer ihrer Leidenschaft verdrängt – was blieb ihr auch anderes übrig? –, doch bei jeder Bewegung und jedem Atemzug hatte das Begehren in ihr geschwelt. Und nun loderte es mit einem Mal wieder auf. Ein Blick auf seine hochgewachsene, schneidige Gestalt, und ihr wurde schlagartig glutheiß. Sie schwitzte an den unmöglichsten Stellen, zwischen ihren Brüsten, in den Kniekehlen und den Schenkelinnenseiten. Nervös befeuchtete sie sich mit der Zunge die Lippen. Sie konnte entweder wegsehen oder feucht werden. Sie entschied sich für Letzteres und hoffte inständig, dass das Seidenpolster des Stuhls von verräterischen Spuren verschont blieb.
»Hoheit.« Jack machte eine höfliche Verbeugung. Wenn es darauf ankam, hatte er sehr gute Manieren.
»Mr. d’Orsay.«
»Na aber, Morland. Nenn mich doch einfach Jack.« Er setzte sich wieder. »Immerhin bin ich jetzt dein Schwager.«
Amelia riskierte einen Blick zu Spencer. Er schien nicht besonders erbaut von Jacks impulsiver Vertraulichkeit. Seine Augen waren hart und unversöhnlich. Zogen sie an und faszinierten sie. Hatten eine betörende Wirkung auf sie.
Schau bloß weg. Eine gute Gastgeberin bekommt kein feuchtes Höschen.
»Gut, Jack.« Er ließ seinen athletischen Körper auf einen zierlichen Stuhl sinken, der so aussah, als sei er seinem Kaliber nicht gewachsen. »Genug der Höflichkeiten. Was willst du von mir?«
»Wieso fragst du ihn so etwas?«, warf Amelia ein. »Er ist zu Besuch gekommen.«
»Ach wirklich?«
Ihr fiel auf, dass Spencer mit einem Mal sehr unterkühlt wirkte. Jack schien es indes nicht sonderlich zu überraschen.
»Ja, sicher.« Ihr Bruder räusperte sich nervös. »Ich wollte euch besuchen. Und muss sagen, das ist ein schöner Empfang für einen Gast.«
Spencers Brauen schossen skeptisch nach oben.
»Vielleicht wollte ich bloß wissen, wie du meine Schwester behandelst«, fuhr Jack fort, seine Stimme klang zunehmend angespannt. »Ihr wart ziemlich schnell weg, findest du nicht? Und es wird über« – er beugte sich zu Spencer vor – »dich geredet.«
»Was reden die Leute denn so?«, mischte sich Claudia ein.
Verblüfft über die Frage der jungen Dame erstarrten alle am Tisch. Sie hatte so getan, als sei sie vollauf damit beschäftigt, mit einer kleinen Silberzange Zitronenscheiben auf einem Kristalltellerchen zu dekorieren, dabei hatte sie aufmerksam dem Gespräch gelauscht.
»Das Übliche?«, fragte Claudia interessiert, und ihre dunklen Wimpern flatterten. »Oder etwas Neues?«
Erschrocken biss Amelia sich auf die Lippe. Offenbar wusste Claudia noch nicht, dass Leo tot war. Ob Julian Bellamy seinen Verdacht in der ganzen Stadt herumposaunte? Auch wenn Spencers Unschuld sich letztlich beweisen ließe, bliebe der Schatten des Skandals auf ihnen haften. Das Gerücht, dass der Herzog in einen Mord verwickelt sein könnte, würde sich hartnäckig halten und ihnen allen das Leben schwermachen. Vor
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