Ein verfuehrerischer Tanz
Sie halten mich immer noch hin.«
»Nein, das stimmt nicht.«
Er glaubte ihr nicht und runzelte die Stirn.
»Wir kommen nicht miteinander aus«, entgegnete sie verzweifelt.
»Falsch. Wir sind in den letzten paar Minuten sehr gut miteinander ausgekommen.«
Ja, unbestritten. Sie hatten sich sogar unsagbar gut verstanden.
Wohlwissend, dass sie eine sehr schlechte Lügnerin war, entschied Amelia sich für die Wahrheit.
»Ich streite nicht ab, dass ich eine Schwäche für Sie habe. Optisch betrachtet sind Sie ein sehr attraktiver Mann. Aber wenn ich ehrlich bin, mag ich Sie nicht besonders. Sie benehmen sich unmöglich in der Öffentlichkeit, und privat ist es auch nicht viel besser. Wenn Sie mich küssen, finde ich Sie halbwegs erträglich.«
Er bedachte sie mit einem amüsierten Blick.
»Obwohl Ihre Ausführungen für mich wenig schmeichelhaft sind, haben wir bestimmt ein besseres Fundament für eine Ehe als viele andere Paare.«
»Ja, mag sein. Trotzdem stelle ich mir meine Traumhochzeit anders vor.«
»Na, dann viel Glück.« Der Duke ließ ihre Hände los und trat einen Schritt zurück. »Sie haben die Wahl. Entscheiden Sie sich für Ihre Träume? Oder für mich?«
»Keine Frau sollte vor so eine Entscheidung gestellt werden.«
Dabei wusste sie, dass es anderen Frauen genauso ging. Sie mussten ihre schönen Fantasien der grausamen Realität opfern. Bisher war es Amelia geglückt, sich davor zu drücken, aber jetzt fühlte sie schmerzvoll, dass auch für sie der Tag gekommen war. Ihre romantischen Träume von der großen Liebe konnte sie vergessen, dafür bekam sie Sicherheit, die Möglichkeit, ihren Brüdern zu helfen und nicht zuletzt etwas zweifellos Reizvolles – die Chance, körperliche Leidenschaft zu erfahren. Aber Liebe? Ich bekomme Kinder, tröstete sie sich. Und Amelia wollte ihre Kinder über alles lieben.
Ihr war klar, was sie tun musste; was sie tun würde.
Trotzdem kamen ihr die Worte nicht über die Lippen.
»Dann entscheide dich eben nicht«, sagte er. »Komm her.«
Es war keine Bitte, sondern ein Befehl. Und sie folgte seiner Aufforderung so bereitwillig, als wäre sie eine Marionette. Dicht vor ihm blieb sie stehen, hob den Kopf und schaute ihn fragend an. Er sah so unverschämt gut aus.
»Küss mich.«
Wieder ein Befehl. Den sie liebend gern befolgte, weil sie es kaum erwarten konnte, ihn wieder zu küssen. Er senkte den Kopf, und sie drückte ihm einen sinnlich langen Kuss auf die Lippen. Wenn sie wollte, konnte sie diese Küsse ihr ganzes Leben lang genießen, schoss es ihr durch den Kopf. Dann würde sie diesen überwältigend attraktiven Mann nackt sehen und das Gewicht seines Körpers auf ihrem spüren.
Der Kuss endete.
»So«, drängte er. »Und jetzt sag Ja.«
Er wollte sie zu seiner Herzogin machen, zur Herrin über sechs Anwesen. Unsere Trauung wird in der Kirche St. George’s am Hanover Square stattfinden, beschloss sie, in Anwesenheit der Londoner Aristokratie. Und sie würde ein sündhaft teures Brautkleid tragen, aus elfenbeinfarbener Brokatseide und verschwenderisch mit Spitzen besetzt. Einen solchen Traum in Weiß hatte sie letzte Woche in der Bond Street gesehen. Zum Hochzeitsfrühstück gab es Petits Fours, mit weißer Zuckerglasur und drei unterschiedlichen Füllungen und garniert mit Marzipanblüten – Orchideen, keine Rosen. Rosen hatte schließlich jeder. Sie wünschte sich echte Orchideen für ihren Hochzeitsstrauß. Noch in dieser Woche würde sie sie bestellen.
Vielleicht wurden ein paar von ihren Träumen doch noch wahr.
»Sag Ja, Amelia.«
»Ja«, antwortete sie. Und weil es ihr viel leichter über die Lippen kam als erwartet, wiederholte sie: »Ja.«
Seine Mundwinkel zuckten. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
»Ich spreche kurz mit deinem Bruder.« Er nahm seine Handschuhe vom Schreibtisch.
»Und bitte informieren Sie … ähm … informiere deinen Sekretär«, sagte sie errötend wie eine junge Braut. »Damit wir die Gästeliste zusammenstellen und die Vorbereitungen treffen können.«
»Die Mühe kannst du dir sparen«, erwiderte er. »Die Trauung wird hier, in diesem Zimmer, stattfinden. Und zwar morgen.«
6
K eine dreißig Stunden später saß Amelia im rosa Salon – eigentlich gab es im Beauvale House sogar zwei rosa Salons, weil Winifred eine Schwäche für Rosatöne hatte. Mit einem deprimierten Seufzen drückte sie Lily Chatwicks Hand und fragte bestimmt schon zum fünften Mal:
»Bist du sicher, dass es dir nichts
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