Ein verfuehrerischer Tanz
ausmacht?«
»Nein, wirklich nicht«, beschwichtigte Lily ihre Freundin.
Amelia biss sich auf die Unterlippe.
»Ich fühle mich schuldig, weil du das alles mitmachen musst.«
Alles lief falsch. Eine Hochzeit, und Lord Harcliffe war noch nicht einmal unter der Erde? Es war geschmacklos und taktlos … und stillos ohne Orchideen und Marzipantörtchen. Aber nachdem Amelia ihr Jawort gegeben hatte, war die Angelegenheit für den Duke of Morland offenbar erledigt. Es sollte buchstäblich eine Blitzheirat werden. Gestern Nachmittag waren Schwärme von Boten in Beauvale House eingefallen und brachten die erforderlichen Papiere, eine Ausnahmeerlaubnis des Erzbischofs und Truhen mit dem Wappen der Morlands, in die Amelia ihre Habseligkeiten packen sollte. Vorher war eine Schneiderin mit zwei Näherinnen bei ihr gewesen, bis an die Zähne mit Stecknadeln bewaffnet. Offensichtlich hatte der Herzog nicht gescherzt, als er bemerkte, ihr blauseidenes Abendkleid habe ausgedient.
Die drei Frauen waren über eine Stunde um sie herumgeschwirrt, hatten ihre Maße genommen, Stoffmuster angehalten und Amelias Zukunft in Form von exakten Kleiderschnitten bestimmt, als wären sie Schicksalsgöttinnen aus der griechischen Sagenwelt.
Heute, am frühen Morgen, hatte ein Bote den weiten Weg zu Amelias kleinem Schlafzimmer im hinteren Teil des Hauses zurückgelegt, schwer bepackt mit Schachteln und Kartons. In der größten Schachtel lagen bauschige weiße Unterröcke und ein Nachthemd aus durchschimmernder Seide, in der kleinsten ein Collier aus edlen Barockperlen. In einer länglichen Schachtel war ein elegantes, nach der aktuellen Mode geschneidertes Kleid aus taubengrauer Seide. Die dezente Farbe gefiel Amelia auf Anhieb. Behutsam strich sie über das Kleid und staunte, als der Stoff im Sonnenlicht zartlila schimmerte.
»Das Kleid ist wunderschön«, schwärmte Lily.
Amelia senkte den Kopf, aus Beschämung, dass sie ihrer Eitelkeit nachgegeben hatte. Ihrer trauernden Freundin zuliebe hätte sie auf das schöne Stück verzichten und ihr schlichtes schwarzes Kostüm tragen müssen, aber sie hatte nun einmal eine Schwäche für fein gewebte Stoffe.
»Du hast es dir verdient«, sagte Lily, als könnte sie Amelias Gedanken lesen. »An deinem Hochzeitstag musst du wirklich keine Gewissensbisse haben. Ganz im Gegenteil, ich bin froh, dass ich bei dir sein kann. Das lenkt mich wenigstens ein bisschen ab. Zu Hause würde ich bloß wie ein Trauerkloß herumsitzen. Zum Weinen hatte ich gestern schon ausgiebig Gelegenheit. Und morgen krieg ich bestimmt wieder das heulende Elend. Um ehrlich zu sein, bin ich sogar ein wenig erleichtert.«
»Erleichtert, dass du ihn nicht heiraten musst?« Amelia lachte trocken. »Ja, ja, besser ich als du.«
»So hab ich das nicht gemeint. Ich bin sicher, Seine Hoheit wird dir ein guter Ehemann sein.«
»Meinst du? Ich bin mir da nicht so sicher.«
Lily fing ihren Blick auf.
»Amelia, du wirst es nicht glauben. Weißt du, was er mir gestern geschickt hat?«
»Hoffentlich keine Horde Schneiderinnen wie mir.«
»Nein, nein. Einen Bankscheck.«
Amelia winkte ab.
»Komm mir bloß nicht wieder mit diesem unsäglichen Pferd!«
»Ach, hab dich nicht so. Ich war erstaunt über die Höhe des …«
Rums.
Die Tür zum Salon schwang mit einem lauten Knall auf, dass der Holzrahmen wackelte. Alarmiert sprang Amelia auf. Lily folgte ihrem Beispiel, indes erheblich anmutiger.
Der Duke of Morland baute sich im Türrahmen auf. Groß, dunkel, attraktiv und aufgebracht.
Die schwarzbraunen Locken, die sich für gewöhnlich widerspenstig um seine Schläfen ringelten, waren mit Kamm und Pomade gebändigt. Ein strenger schwarzer Gehrock mit passender Fliege unterstrich seine düstere Miene. Der Herzog wirkte ärgerlich, herrisch, arrogant – und so anziehend, dass Amelia weiche Knie bekam und ihr kurz schwindlig wurde.
Laurent, der hinter Morlands beeindruckender Statur auftauchte, machte ein bestürztes Gesicht.
»Ich bitte inständig um Verzeihung, aber er war nicht zu bremsen.«
»Mein Gott, was ist denn los?« Amelia verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. Dann ließ sie sie wieder sinken und versteckte ihre zitternden Hände hinter dem Rücken. Er war auch bloß ein Mensch. Und sie hatte keine Lust, sich von ihm herumscheuchen zu lassen.
»Lady Amelia«, sagte er in anklagendem Ton, »du bist …« Er verschlang sie mit seinem Blick, dass ihre Haut unter der zarten Seide zu prickeln begann. »Du bist
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