Ein verfuehrerischer Tanz
anders ein und es sieht aus, als würde Sonnenlicht auf einem reißenden Strom tanzen.«
Er schwieg.
Je länger er ihr schweigend über die Schulter sah, umso unsicherer wurde Amelia. »Ich möchte die Stickarbeit für ein Stuhlkissen verwenden. Oder vielleicht einen kleinen Kissenbezug daraus nähen.« Sie drehte den Stickrahmen in den Händen und betrachtete das gute Stück von allen Seiten. Wenn sie es mit Samt umfasste, könnte sie ein größeres Kissen daraus nähen oder …«
»Ein Kissen?«, fragte er abrupt, und seine Stimme klang verächtlich. »Was für eine abscheuliche Idee.«
Amelia blinzelte verwirrt.
»Wie … wieso?«, stammelte sie. »Ich lege es in mein Zimmer, wenn es dir nicht gefällt.«
»Das da« – er zeigte auf ihre Stickarbeit – »kommt mir in meinem Haus weder auf einen Stuhl noch auf ein Sofa.«
»Aber …«
»Gib es her.«
Bevor sie protestieren konnte, riss er ihr den Stickrahmen aus den Fingern, warf ihn in seine Büchertruhe und knallte de n Deckel zu. Was erlaubte sich der Kerl?! Statt Widerworten packte Amelia eilig ihre Sachen weg, aus Sorge, dass Seine Hoheit auf die Idee kommen könnte, ihren Stickkorb im hohen Bogen in den Kamin zu werfen. Den Stickrahmen bekam sie bestimmt wieder. Sie hoffte es jedenfalls.
»Genug gelesen und gestickt. Wir spielen jetzt Karten.« Er fuchtelte mit einem Kartenspiel vor Amelias Nase herum. »Pikett.« Er mischte die Karten so schnell, dass Finger und Karten scheinbar miteinander verschmolzen. Es mutete faszinierend an und fast unmerklich erotisch.
Er bemerkte, dass sie auf seine Finger starrte, und hob forschend eine dunkle Augenbraue.
»Du bist recht geschickt.«
»Ich bin eben fingerfertig.«
In der Tat, das konnte Amelia bezeugen. Sie erinnerte sich mit nahezu schmerzvoller Intensität an die lustvolle Verzückung, in die Spencer sie in Laurents Arbeitszimmer versetzt hatte. Er hatte seine Handschuhe ausgezogen, mit seinen starken Fingern ihre Haare gelöst und sanft ihr Gesicht genommen, um sie zu küssen. Augenblicke später hatte er ihre Kehrseite umklammert und ihren Körper an seinen gepresst …
Er klopfte mit dem Kartenstapel auf den Tisch und riss sie aus ihrer Träumerei.
»Aber bloß einmal«, entfuhr es ihr leicht entrückt.
»Kennst du Pikett?« Er verteilte die Karten.
»Ja, sicher. Ich bin aber nicht besonders gut.«
»Das dachte ich mir. Wenn du nämlich gut wärst, hättest du deinem Bruder eine bessere Strategie beibringen können.«
Bei der Erwähnung von Jack und den Spielschulden war Amelias Müdigkeit wie weggeblasen.
»Ich dachte, ihr hättet Poker gespielt«, erwiderte sie aufgebracht.
»Das war an dem Abend, als er die vierhundert verlor.« Er nahm seine Karten auf.
Sie folgte seinem Beispiel und sortierte ihr Blatt.
»Dann habt ihr also häufiger Karten gespielt?«
»Bloß ab und zu.« Er wählte vier Karten aus und legte sie auf den Tisch.
Sie tauschte drei von ihren aus. Er zeigte ihr, dass er einundvierzig Punkte hatte und damit die Höchstzahl beim Pikett.
»Schuft«, murrte sie.
»Du verlierst wohl genauso ungern wie dein Bruder.«
»Wer verliert schon gern?«
Bei Spielen und beim Sport entwickelte Amelia jede Menge Ehrgeiz. Und wenn sie verlor, hatte sie schlechte Laune. Deshalb wurde sie zunehmend gereizter, da Spencer mit sämtlichen Tricks arbeitete und seinen Punktevorsprung mächtig ausbaute. Das allein hätte sie verschmerzen können. Viel schlimmer war, was sie wegen Spencer sonst noch eingebüßt hatte. Wäre er kein solcher Pferdenarr und hätte er nicht so unverschämt viel Glück beim Kartenspiel, wäre sie jetzt vermutlich in Briarbank. Und Jack wäre bestimmt mitgekommen.
Nachdem Amelia verloren hatte, sammelte sie schweigend die Karten zusammen und mischte sie erneut.
»Ich dachte, du wolltest bloß einmal spielen«, sagte er trocken.
Statt einer Antwort bedachte sie ihn mit einem kurzen, scharfen Blick. Ehrgeiz und persönlicher Stolz verboten es ihr, sich mit einer Niederlage zufriedenzugeben.
»Du hättest dich von dem Herzbuben trennen müssen«, erklärte er ihr. »Und verleg dich nicht darauf, Farben zu sammeln.«
Von dem Herzbuben trennen, so, so.
Wieder hatte sie zwei Buben auf der Hand, und obwohl sie seinen Rat nur ungern befolgte, trennte sie sich von ihnen und ergatterte einen König. Doch zu ihrem Leidwesen gewann Spencer auch diese Runde, allerdings mit einer erheblich niedrigeren Punktzahl.
»Schon besser«, lobte er, während er die Karten
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