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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I
Autoren: Y.S. Lee
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hübschen Gegensatz: Miss Thorold mit ihren blonden Ringellocken und der rosigen Haut und Fräulein Schnüffelnase (wie er sie insgeheim nannte) mit ihrem schwarzen Haar und dem entschlossenen Blick. Welche Farbe hatten ihre Augen   – haselnussbraun? Im Kerzenlicht war das nicht richtig zu erkennen gewesen. Es war ihr eindeutig unenglisches Aussehen, das Miss Thorolds puppenhafte Schönheit neben ihr besonders hervorhob. Was mit Sicherheit auch bezweckt war.
    Fräulein Schnüffelnase musste sich wohl die Zeit genommen haben, ihre Haare wieder hochzustecken. Sie waren jetzt straff zurückgekämmt, während sie ihr vorhin um die Schultern gefallen waren. Er erinnerte sich an ihren Duft   – nach frischer Wäsche, zitronigerSeife und nach Mädchen. Er hatte sich gewundert, dass sie kein Parfüm trug, war jedoch in dem engen Schrank dankbar dafür gewesen.
    Er betrachtete sie vom anderen Ende des Raumes. Ihr Kleid, schlicht und hochgeschlossen, vermittelte klar und deutlich, dass sie keine Tochter aus der Londoner Gesellschaft war. Ihre Frisur unterstrich das: In dieser Saison war es modisch für junge Damen, einige Ringellocken über den Ohren zu tragen. Auch hielt sich Fräulein Schnüffelnase etwas im Hintergrund. Mit gesenktem Blick schenkte sie eine Tasse Tee nach der anderen ein. Miss Thorold stand hingegen vor ihr, fügte anmutig Milch und Zucker hinzu und reichte die Tassen an die anstehenden Gäste weiter   – die vor allem aus Junggesellen bestanden, die sie anhimmelten. James’ älterer Bruder George war unter ihnen.
    Als könnte sie seinen unverhohlenen Blick spüren, hob Fräulein Schnüffelnase plötzlich den Kopf und sah ihn an. Ein heftiges Kribbeln, das sowohl angenehm wie auch erschreckend war, rann ihm durch den Körper. Er musste sich zwingen, reglos und ausdruckslos zu bleiben. Ihr Blick war herausfordernd und keineswegs beschämt. Sie starrte ihn noch ein paar Sekunden an   – um ihn einzuschätzen?   –, dann sah sie hochmütig fort, als habe sie alles gesehen, was sie wissen wollte. Er unterdrückte ein Grinsen. Freche Göre.
    Für eine Gesellschafterin war das Mädchen ziemlich attraktiv. Sie schien auch nicht dumm zu sein   – ihr Verhalten in dem Schrank hatte das hinlänglichbewiesen. Eine weniger kluge Frau hätte geschrien oder sich gewehrt oder zumindest leise zu weinen angefangen. Ihre Reaktion hingegen war rasch, gefasst und vernünftig gewesen. Also keine gewöhnliche junge Dame. Vielleicht war sie eine arme Verwandte? Und schließlich stellte sich noch die Frage, warum sie in dem Arbeitszimmer herumgeschnüffelt hatte. Allein. Im Dunklen.
    James bewegte sich langsam durch den Raum auf die geöffneten Balkontüren zu. Lieber nahm er jetzt den Gestank in Kauf, als zu ersticken.
    »Der junge Mischter Schames   – welch eine Überraschung!«
    Er blinzelte und nahm den Mann ins Visier, der plötzlich neben ihm aufgetaucht war. »Mr Standish. ’n Abend.« Warner Standish war ein alter Freund der Familie, ein aufgeblasener Narr und ein schamloses Klatschmaul.
    Standishs spitz zulaufender rötlicher Bart teilte sich und enthüllte den Grund für seinen Sprachfehler: ein prachtvolles hölzernes Gebiss. »Hätte nicht geglaubt, Sie so schpät hier anschutreffen, junger Mann. Fascht schon Ihre Bettscheit!«
    James zuckte die Schultern. Lohnte es sich, darauf hinzuweisen, dass er fast zwanzig war? Wohl eher nicht.
    »Auf welche Schule gehen Sie doch noch, Eton oder Harrow?«
    Weder noch. »Ich habe die Schule schon vor ein paar Jahren verlassen, Mr Standish.«
    »Aha. Dann sind Sie wohl in Okschford?«
    »Nein; ich arbeite bei meinem Bruder.« James biss die Zähne zusammen.
    »Bei diesem Brückenbauunternehmen? Wie schpeschiell!«
    »Ich setze unsere Familientradition fort.«
Was du nur zu gut weißt, blöder Kerl
, setzte er stumm hinzu.
    »Und wo ischt Ihr Bruder?«, wollte Standish wissen. »Habe ihn heute Abend noch gar nicht gesehen.«
    »Da sind Sie wohl der Einzige«, sagte James gepresst. Gute Güte, George war so peinlich. Heute Abend hatte er sich in Bezug auf Miss Thorold völlig zum Narren gemacht, hatte sie belagert, war ihr mit Punschgläsern und Kuchentellern hinterhergelaufen und hatte versucht, jeden Walzer mit ihr zu tanzen, obwohl ihre Tanzkarte schon voll war. Alle hatten sich über George lustig gemacht.
    »Wie? Waschischt?«, brüllte Standish.
    James machte eine Bewegung mit dem Kinn. »Teetisch.«
    »Ah. Wartet wohl darauf, von Misch Thorold bedient zu
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