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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I
Autoren: Y.S. Lee
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hintereinander tief Luft zu holen. Wenn sie sich nicht zusammenriss, würde sie nur das Schloss zerkratzen und ihre Haarnadel ruinieren und müsste unverrichteter Dinge in den Salon zurückkehren. Der Gedanke war so ernüchternd, dass ihre Finger zu zittern aufhörten.
    Der zweite Versuch gelang schon viel besser. Fast auf der Stelle konnte sie die Bewegung der Zapfenspüren. Ein kurzes Aufwallen des Gelächters von unten ließ sie erstarren, aber niemand näherte sich, und sie konnte mit der Arbeit fortfahren. Der letzte Hebel rastete klickend ein und sie grinste. Was für eine Genugtuung!
    Das Schnappschloss war gut geölt. Ein kurzer Blick durch den Türspalt bestätigte, dass der Raum leer war. Sie schlüpfte hinein und zog die Tür leise hinter sich zu. Die schweren Samtvorhänge waren geöffnet und das Zimmer wurde von dem Mond und den Fackeln im Garten ausreichend erleuchtet. Den Kerzenstummel, den sie sich eingesteckt hatte, würde sie nicht brauchen.
    Nun sah sie sich in dem Büro um. Zu ihrer Rechten stand Thorolds Schreibtisch, klobig und massiv und vollkommen leer geräumt. Dahinter standen ein paar Aktenschränke, ein großer Kleiderschrank und ein Tischchen mit Getränken. Zu ihrer Linken standen mehrere Bücherschränke mit Glastüren, die ledergebundene Bücher mit goldbedruckten Rücken enthielten. Die Fenster befanden sich an der hinteren Wand.
    Sie runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippe. Eine Zufallsentdeckung durfte sie kaum erwarten. Im Gegenteil, so sagte sie sich nüchtern, es war wohl eher wahrscheinlich, dass Thorold die Unterlagen, die mit seinem Unternehmen zusammenhingen, in seinem Speicherhaus verwahrte. Aber sie musste hier anfangen, um das Naheliegende auszuschließen.
    Links bei den Bücherschränken fing sie an. Sie waren erst kürzlich abgestaubt worden, daher konnteman nicht sehen, ob einige der Bände öfter herausgenommen wurden als andere. Tatsächlich sahen die Bände, obwohl es sich um berühmte Namen handelte   – Milton, Shakespeare, Johnson   –, absolut neu aus. Sie zog einen Band mit Predigten von John Donne heraus und lächelte vor sich hin: Die Seiten waren noch nicht mal aufgeschnitten. Diese Bibliothek diente also nur dem Schein. Die gesamten Bücherreihen waren alle gleich   – makellos, seriös, unberührt.
    Bis   … sie die Tür des Bücherschranks öffnete, der dem Fenster am nächsten stand. Sie wusste sofort, dass etwas anders war. Der angenehme Duft nach frischem Leder und Papier wich plötzlich Staub und   … Zigarrenrauch? Sie ließ den Blick über die Bücherreihen gleiten und begriff, dass diese Bände, obwohl sie ebenfalls elegant gebunden waren, eine ganz andere Art von Büchern waren:
Aretines Stellungen; Haus der Ruten; Fanny Hill.
Sie nahm das abgegriffenste heraus und schlug es auf. Verschlungene nackte Körper, teils rosig und weißhäutig, teils dunkelhäutig   … einige lächelnd, andere   –
    Mary schlug das Buch erschrocken zu. Sie war kein Unschuldsengel. Da sie auf der Straße aufgewachsen war, hatte sie schon mal obszöne Dinge zu Gesicht bekommen. Aber niemals etwas in dieser Art. Die Frauen auf diesen Bildern waren afrikanische Sklavinnen, die weißhäutigen Männer ihre Besitzer.
    Sie musste eine Welle der Übelkeit unterdrücken. Stellte das Buch wieder an seinen Platz. Schluckte aufsteigendeGalle, die einen bitteren Geschmack hinterließ. Sie spürte den Drang, das Fenster zu öffnen und sich die Lungen mit frischer Nachtluft zu füllen. So schmutzig diese auch war, sie konnte nicht schlimmer sein als das, was sie gerade gesehen hatte   …
    Stattdessen riss sie sich energisch zusammen. Die zimperliche junge Dame zu spielen war keine Lösung. Sie war hier, um Informationen zu sammeln.
    Mary drückte die Tür des Bücherschranks fest zu und wandte sich dem restlichen Raum zu. Das Schloss des ersten Aktenschrankes war ein Kinderspiel. Sie drehte die Haarnadel nur ein paarmal und der Riegel schnappte zurück. Wieder verspürte sie das erregte Kribbeln, als sie das Schubfach aufzog. Es glitt leise heraus und enthielt unzählige säuberlich zusammengebundene Aktenstapel, die alle deutlich nach Jahr und Betreff etikettiert waren.
1836: Nord- und Südamerika; 1836: Bermudas und Westindische Inseln; 1836: Indien.
    Was war das für ein Geräusch? Mary sah sich im Zimmer um. Sie hörte ganz deutlich etwas   … aber sosehr sie auch die Ohren spitzte, jetzt konnte sie nur die Stimmen aus der Ferne ausmachen, die bisweilen von
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