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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y.S. Lee
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erzogen. Du weißt schon, Französisch und Geografie und Geschichte und dergleichen.«
    »Dann war Ihr Vater ein Gentleman?«
    »Nein, das war er nicht«, sagte Mary ironisch. »Warum fragst du?«
    »Weil Sie wie ’ne Dame aussehen, aber Sie sind nicht so wie eine.«
    »Was meinst du?«
    »Sie reden mit mir. Sagen Danke. Und Miss Thorold würde sich nie um meine Hände kümmern.«
    Mary tätschelte die Hände ein letztes Mal. »Ich bezweifle, dass dich Miss Thorold überhaupt wahrnimmt.«
    Cass schüttelte den Kopf. »Nö.«
    Mary wartete, doch das Mädchen rührte sich nicht von der Stelle.
    Schließlich fragte sie: »Glauben Sie, dass ich auch ’ne Dame werden könnte? Wie Sie, meine ich«, setzte sie erklärend hinzu. »Nicht ’ne richtige Dame.«
    Mary unterdrückte ein Lächeln. »Möchtest du denn gerne damenhaft werden?«
    Cass zuckte die Schultern. »Ich hab keine Lust auf Französisch und Geschichte   …«
    »Aber es kommt dir angenehmer vor als die Spülküche?«
    »Ja.«
    »Ist es wahrscheinlich auch.« Mary blickte in die wachen Augen, die halb hinter einem Wust von schmutzigen Haaren verschwanden. Es versetzte ihr einen plötzlichen Stich. So musste sie auch einmal ausgesehen haben. »Es wird Zeit«, sagte sie und steckte den Pfropfen wieder auf das Glas mit der Salbe. »Komm zu mir, ehe du heute Abend ins Bett gehst; ich reib dir die Hände noch mal ein.«
    ***
    Das Frühstück war eine stille Mahlzeit in Cheyne Walk. Mr Thorold verschwand hinter seiner Ausgabe der
Times
, während Michael andere Zeitungen nach Beiträgen über das Unternehmen absuchte. ImInstitut war das Frühstück schlicht und laut: Es gab Haferbrei an langen Holztischen, inmitten von schnatternden Mädchen. Angesichts der erstaunlichen Auswahl warmer Speisen, die unter silbernen Hauben warteten, und der luxuriösen Ruhe hier fragte sich Mary, wie sie jemals wieder zu der lärmenden Nüchternheit der Schule zurückkehren konnte, nachdem ihr Auftrag hier beendet war. Sie löffelte sich gerade Quittengelee auf eine Scheibe Toast, als einer der Hausdiener mit der ersten Post des Tages neben ihr auftauchte.
    Mary sah auf. »Danke.« Es war der erste Brief, den sie erhielt, seit sie in Cheyne Walk wohnte, und auf der Stelle erkannte sie die krakelige Schrift von Anne Treleaven. Ein leichtes Kribbeln rann ihr über den Rücken und rasch brach sie das Siegel auf. Ihre Hand zitterte, als sie die einzelne Seite entfaltete.
     
    Meine liebe Mary,
    ich schreibe Dir mit einer tragbaren Briefmappe, die für
den Fall einer Reise praktisch ist, da sie mit Leichtigkeit öffnet und schließt. Während ich den Brief schreibe,
sitze ich mit den Mädchen in der Schule. Ich bin ihretwegen leider sehr beunruhigt, denn die drei Dutzend
Schülerinnen fühlen sich gar nicht wohl und sind seit
Tagen unpässlich, was an dem unerträglichen Wetter
liegt. Es weht ja kein Lüftchen. Wir haben beschlossen,
aufs Land zu reisen, um kein Risiko hinnehmen zu
müssen. Auch Du solltest achtgeben und kein Risiko
eingehen. Vielleicht kannst Du Deine Herrschaft
höflich ansprechen und auf die Gefahr aufmerksam
machen. Sie werden sicher wissen, dass der Gesundheit
Schaden droht. Passe gut auf Dich auf, liebe Mary.
    Mit freundlichen Grüßen
    Anne Treleaven
    Was für ein furchtbarer Brief   – gestelzt, ungenau und überhaupt nicht typisch für Anne Treleavens scharfen Verstand. Und doch versah er Mary mit mehr Informationen, als sie seit ihrer Ankunft in Cheyne Walk bekommen hatte. Der vereinbarte Code war lächerlich einfach: Aus jedem elften Wort im Hauptteil des Briefes setzte sich Anne Treleavens Botschaft zusammen. Sie und Felicity Frame hatten unermüdlich darüber debattiert; Anne Treleaven hatte einen komplizierteren Code befürwortet, während Felicity Frame etwas rasch Entzifferbares bevorzugte. Felicity Frame hatte mit dem Argument überzeugt, dass Mary kaum ungestört sein und wenig Muße haben würde, um einen ausgeklügelten Code zu knacken. Außerdem sei der Sinn des Codes nur, die Information vor flüchtigen Blicken zu schützen. Während Mary nun also am Frühstückstisch saß und Toast aß, konnte sie den vorgeschobenen Text rasch überfliegen und die Warnung von Anne Treleaven herauslesen:
Fall schließt in drei Tagen   – kein Risiko eingehen   – Gefahr droht.
    Drei Tage bedeutete, dass die Untersuchung nach Plan verlief. Es bedeutete jedoch auch, dass sie fastkeine Zeit mehr hatte, vor allem unter dem Aspekt, dass sie bisher so wenig

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