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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y.S. Lee
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anmieten; es wäre mir lieber zu wissen, dass ihr einen Zufluchtsort habt, falls die Atmosphäre hier noch bedrohlicher wird. Aber du kannst wählen, Angelica, ob du bei deiner Mutter in der Stadt bleiben oder lieber in Begleitung von Miss Quinn nach Brighton fahren willst.«
    Er sah seine Tochter hilflos an. Auch Michael traute sich wieder, sie anzusehen, genauso wie Mary und Mrs Thorold.
    Angelica schien die Bedeutung des Augenblicks nur zu bewusst und sie zog ihn einige Sekunden hin und sonnte sich in ihrer Machtposition. Schließlich lächelte sie Mr Thorold zu. »Papa, das ist äußerst lieb und großzügig von dir, aber ich finde wirklich, dass ich bei Mama bleiben sollte. Wenn die Luft allerdings tatsächlich ganz gefährlich wird, dann kommt ihr, du und Mr Gray, doch bestimmt mit nach Brighton? Es kann doch nicht angehen, dass wir in ein besseres Klima reisen, während ihr euch der Gefahr aussetzt.«
    Ihre Vorstellung war perfekt: bescheiden, liebenswürdigund pflichtbewusst, wie es sich für eine Tochter ziemte. Wenn Mary es nicht besser gewusst hätte, wäre sie versucht gewesen, zum ersten Mal, seit sie Angelica kennengelernt hatte, gut von ihr zu denken. Wie die Dinge standen, konnte sie jedoch nur ihre Schauspielkunst bewundern. Sie erlaubte sich nicht mal einen Blick in Michaels Richtung.

Dreizehn
    Freitag, 14.   Mai
    N ach diesem ereignisreichen Tag fand es Mary schwierig, einzuschlafen. Ihr Kopf brummte vor sorgenvollen Überlegungen. Sie konnte ihre verschiedenen Mutmaßungen nicht abschalten: über Michael Gray, über Angelica, über die fehlenden Beweise gegen Mr Thorold. Sie versuchte sich zu konzentrieren und ihre Gedanken kehrten mit aufsässiger Beharrlichkeit zu dem Thema der »Ärzte« von Mrs Thorold zurück. Bloße Lust? Oder war der Geliebte auch Teil ihres Ränkespiels? Womöglich   – dieser Gedanke huschte so schnell durch Marys erschöpfte Überlegungen, dass sie ihn kaum festhalten konnte   – steckten alle in der Sache: Ehemann, Ehefrau und Liebhaber? War das zu unerhört? Wirklich zu abwegig, wenn man bedachte, welche Persönlichkeiten beteiligt waren? Sie wusste nicht   … vielleicht   …
    Sie wurde vom Schlaf überwältigt, ehe sie zu Ende denken konnte. Plötzlich war es Morgen, der sich durch das Quietschen der rostigen Türangeln ankündigte.
    »Tee.« Cass stellte die Tasse etwas sanfter auf ihrem Nachttisch ab als üblich.
    Mary stützte sich auf den Ellbogen und sah das Mädchen verschlafen an. »Danke.«
    Statt der üblichen Frage nach dem Bad schwieg das Mädchen. Dann fragte sie: »Stimmt das eigentlich?«
    Mary setzte sich auf und rieb sich die Augen. »Ob
was
stimmt?«
    »Was Mr Brown gesagt hat.«
    Oje. »Über Mrs Thorold? Ich weiß nicht.« Mary nahm einen Schluck Tee und sah Cass an. »Glaubst du mir?«
    Cass zuckte die Schultern. »Weiß nich.«
    »Warum fragst du dann?«
    Wieder ein Schulterzucken. Das hätte das Ende des Gesprächs sein sollen, aber stattdessen blickte Cass zu Boden und rang die Hände. Sie waren rau und aufgesprungen und um die Nägel verschorft.
    »Tun dir die Hände nicht weh?«
    Ein drittes Schulterzucken. »Kann nichts dagegen tun. Vom vielen Abwaschen.«
    Mary sah sie einen Moment nachdenklich an. »Reich mir mal das Gefäß vom Waschtisch   – das aus blauem Glas.«
    Cass gehorchte mechanisch.
    »Setz dich her.« Mary deutete auf den Stuhl neben dem Bett. »Roll deine Ärmel auf.« Die Aufschläge waren schmutzig und ausgefranst und das Kind roch nach Hammelfett und ungewaschenem Haar. War sie überhaupt noch ein Kind? So aus der Nähe fiel Maryzum ersten Mal auf, dass sie alte und müde Augen hatte. Mindestens zwölf Jahre alt. Vielleicht sogar vierzehn, in dem dürren Körper einer Zehnjährigen.
    Als Mary ihre Hände berührte, waren sie zunächst ganz starr, aber nach einer Minute entspannte Cass sich ein wenig. »Das Zeug riecht aber gut«, flüsterte sie.
    Mary nickte und achtete darauf, Cass nicht direkt anzusehen. »Am Anfang brennt es ein bisschen, aber es hilft.« Sie massierte die kleinen klauenartigen Hände ein paar Minuten, etwas länger als nötig, aber sie wurden bereits weicher, und Cass schien es nicht eilig zu haben.
    »Sind Sie eine Dame?«
    Mary sah sie überrascht an. Das Mädchen hatte kluge Augen. »Wie meinst du das?«
    Cass verzog das Gesicht. »Genau so, sind Sie ’ne Dame?«
    »Äh   … nun, ich muss arbeiten, weil ich kein Geld besitze«, erwiderte Mary vorsichtig. »Aber ich wurde wie eine Dame

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