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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y.S. Lee
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so dicht, dass Mary die Droschke auch zu Fuß im Auge behalten konnte. Aber zu gerne hätte sie natürlich gehört, was die beiden beredeten. Bot der Innenraum der Kutsche Michael genügend Privatsphäre oder steuerten sie ein Ziel an? Und was um Himmels willen beredeten sie? In einem Roman wären sie wohl heimlich und unglücklich verliebt gewesen. Das wäre natürlich unstandesgemäß gewesen, weil Michael arm und Angelica mit George Easton so gut wie verlobt war. Aber es wäre auch eine Erklärung gewesen, warum Angelica so eifersüchtig auf den kleinen Flirt Michaels mit ihrer Gesellschafterin reagiert hatte. Vielleicht planten sie jetzt, Mr und Mrs Thorold über ihre Romanze in Kenntnis zu setzen. Die Vorstellung schien möglich, auch wenn sie sehr nach einem Klischee aussah   …
    Aber   – Mary blinzelte und stolperte fast, als ihr eine zweite Möglichkeit einfiel. Die beiden konnten doch auch in Thorolds gesetzeswidrige Geschäfte verwickelt sein! Egal, wer da wen mit hineinzog. Das klang genauso logisch. Michael überbrachte Angelica vertrauliche Nachrichten aus dem Büro; sie mussten ihre Pläne wegen des vorgesehenen Aufenthaltes in Brighton ändern; und sie hielten vor der Familie einen gewissen Abstand aufrecht, um keinen Verdacht zuerregen. Und wer war besser geeignet als Angelica, um eine ungewöhnliche finanzielle Transaktion durchzuführen? Es war der typische Scrimshaw-Fall: Keiner achtete auf Frauen, vor allem auf Frauen in untergeordneten Stellungen. Michael als Thorolds rechte Hand war automatisch verdächtig. Mrs Thorold, ob sie nun gebrechlich oder eine gewiefte Ehebrecherin war, interessierte sich überhaupt nicht für ihre Familie. Angelica hingegen war perfekt   – die reiche, müßige Tochter eines Kaufmanns, die nichts Besonderes erreichen musste und jegliche Zeit hatte, um es zu tun. Ihre Bösartigkeit   – für die ja Marys linke Hand ein Beweis war   – erschien in diesem Licht absolut folgerichtig. Wirklich, schalt sich Mary, als Mitglied der Agentur war sie die letzte Person, die die Fähigkeiten einer Frau unterschätzen durfte.
    Es war ein langes Gespräch. Mary folgte der Kutsche kreuz und quer durch Kensington und durch die Parks. Sie überlegte, ob sie einen kühnen Schritt wagen sollte   –
Ach hallo, Miss Thorold! Mr Gray! Sie beide hier zu treffen! Mitten im Hydepark!
–, doch sie entschied sich dagegen. Ehe sie zur Tat schritt, brauchte sie noch mehr Informationen.
    Nach einer Dreiviertelstunde hielt die Kutsche an. Michael sprang heraus, bezahlte den Kutscher und gab ihm noch Anweisungen. Dann ratterte die Droschke davon, wahrscheinlich in Richtung Cheyne Walk. Michael wandte sich nach Osten. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt, und sein ganzes Gebaren ließ vermuten, dass das Treffen gut gelaufenwar. Hatte es einen Sinn, ihm zu folgen? Was war, wenn er noch einen anderen Ort aufsuchte, ehe er ins Kontor zurückkehrte?
    Sie folgte ihm bis an den Rand von St. James’ Park. Dort sah er plötzlich auf seine Taschenuhr, steckte sie rasch wieder ein und machte sich schleunigst in Richtung Süden auf. Das beruhigte Mary. Sein Treffen mit Angelica hatte länger gedauert als erwartet; er musste jetzt zu Thorold ins Lagerhaus zurückkehren. Sie war erleichtert, dass sie dieser Spur nun nicht weiter folgen musste. Sie seufzte zufrieden, sah sich um und stellte fest, dass der suppenartige Nebel, der sich so hartnäckig über Chelsea gelegt hatte, sich hier im Park aufgelöst hatte. Das war ein gutes Omen.
    ***
    Angelicas Treffen musste wohl gut gelaufen sein: Den restlichen Tag schwebte sie auf einer Wolke guter Laune durchs Haus, spielte ein wenig Mozart und summte verträumt vor sich hin. Was für ein Unterschied zu ihrer üblichen schlecht gelaunten Stimmung.
    Die Familie hatte gerade das Abendessen beendet, da räusperte sich Mr Thorold. »Meine Lieben, ich muss euch etwas mitteilen.«
    Die Damen legten ihre Nachtischlöffel beiseite und Michael nahm hastig einen Schluck Wein.
    »Die Stadt ist zurzeit höchst unangenehm«, sagte Mr Thorold. »Die Auswirkungen, die die Hitze und der Pesthauch auf euch haben könnten, bereiten mirgroße Sorgen.« Er unterbrach sich und warf Mrs Thorold einen beunruhigten Blick zu. »Ich habe arrangiert, dass ihr nach Brighton fahrt, wo die Luft rein ist. Ihr werdet Samstag abreisen und den Sommer über dort bleiben.«
    Seine Ankündigung wurde mit Schweigen quittiert. Angelicas gespielte Überraschung war ziemlich gut, wie

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