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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y.S. Lee
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tauchte auf einer von James’ Baustellen auf. Der Junge war nicht nur umgebracht worden, weil er im Weg war, sondern weil er etwas Wichtiges aufgedeckt hatte. Und dieser Zettel war die Verbindung zwischen der Entdeckung und dem Mord.
    James musste von der Baustelle aus mehrere Straßen entlanglaufen, ehe er eine Droschke fand, und selbst dann weigerten sich die beiden ersten Kutscher wegen des Zustands seiner Kleidung, ihn mitzunehmen. Es waren etwas mehr als drei Meilen nach Limehouse,und der Kutscher, beflügelt von der Aussicht auf ein Trinkgeld, fuhr mit schnellem Tempo.
    »Halten Sie hier«, sagte James am Anfang von George Villas.
    »Hier wart ich aber nicht«, sagte der Kutscher unwirsch. »In diesem Teil der Stadt wart ich auf keinen, nicht mal auf den Prinz von Wales.«
    Kluger Kerl
, dachte James und holte eine Handvoll Münzen aus der Tasche.
    Die Fassade des Laskarenheims war wie ein blindes Gesicht. Er zog heftig am Glockenstrang und wartete. Nichts. Er läutete erneut. Wieder nichts. Als er kräftig an die Tür klopfte, ging sie etwas auf.
    »Mr Chen?«, rief er und trat vorsichtig in die Eingangsdiele. Der Geruch des Hauses schlug ihm entgegen und kam ihm vom letzten Besuch her bekannt vor. Räucherstäbchen, erinnerte er sich. Mottenkugeln. Chinesische Arzneien aus Kräutern. Ungewohnte Gewürze. Und dazu noch gewöhnlicher englischer Schimmel und Moder, der ihm den Hals abschnürte. Seine Stimme schien die Luft in der Diele aufzuwirbeln.
    »Hallo? Mr Chen?«, rief er wieder, doch die Antwort war Stille.
    Bei seinem letzten Besuch war Mr Chen sofort an der Tür gewesen. Vielleicht hatte er sonntags frei?
    »Ist jemand da?«, rief James, diesmal sehr laut. Irgendein Angestellter musste doch da sein. Als der Hall seiner Stimme erstarb, wurde James von einem ersten unguten Gefühl überfallen. Erst Alfred Quigley.Dann die Festnahme von Thorold. Was war sonst noch los? Hatten sich hier alle davongemacht? Sie konnten doch nicht sämtlich an der Geschichte beteiligt sein   – diese gebrechlichen alten Männer? Chen allerdings schon. Chen konnte das Haus als Hauptquartier für illegale Transaktionen benutzt haben und er konnte inzwischen getürmt sein. Das klang logisch: die alten Männer rausschmeißen, den Angestellten einen Tag freigeben und verschwinden.
    Verdammt.
Während ihm dieser alte Kerl die Ohren mit Unsinn über verarmte Laskaren vollgedröhnt hatte, hatte er die ganze Zeit mit Thorold zusammengearbeitet. Das war natürlich eine famose Deckadresse. Wer verdächtigte schon einen freundlichen alten Chinesen?
    Die Tür zum Büro des Heimleiters war angelehnt, und als James sie aufstieß, erschrak er. Der Raum war durchsucht worden. Doch dieses Wort deutete eine methodische Vorgehensweise an, die hier nicht ganz zutraf. Der Boden war mit Papierstößen übersät, die größtenteils von schweren Stiefeln zertrampelt und zerfetzt worden waren. Alle Schubfächer und Aktenschränke waren aufgerissen und ihre Inhalte auf dem Boden verstreut. Die Regale waren umgekippt. Dass jemand in das scheußliche Ölbild getreten und den vergoldeten Rahmen zerbrochen hatte, tat ihm nicht leid. Doch auch die Vorhänge waren heruntergerissen und ein Ende der Messingstange hing auf den Boden. Das war mehr als ein Einbruch. Hier hatte jemand gewütet.
    James dachte an seine Begegnung mit Mr Chen zurück und revidierte seine Vermutungen. Mr Chen hatte es ja nicht nötig, sein eigenes Büro so zu durchwühlen. Was er gebraucht hätte, hätte er ohne Weiteres finden können. Warum also den Raum verwüsten? Um eine falsche Fährte zu legen? Oder steckte jemand ganz anderes dahinter? Ihm drehte sich der Kopf, und er bückte sich, um einen dunklen, nassen Fleck auf dem Boden zu untersuchen. Kaffee. Kein Blut, Gott sei Dank. Und der Fleck war kalt, was allerdings nur bedeutete, dass das Chaos vor mindestens zehn Minuten angerichtet worden war, schätzte James. Der andere feuchte Fleck war Öl   – der zerbrochene Schirm der Lampe, der auf dem Teppich lag, bestätigte das.
    Ein lautes
Klack
ließ ihn aufblicken   – und erstarren.
    »Ganz recht«, sagte die Gestalt in der Tür. »Keine Bewegung!«
    James konnte den Blick nicht von dem Ding nehmen, das das
Klack
verursacht hatte: eine elegante Handwaffe. Einer der neueren Revolver, wenn er sich nicht täuschte. Es war der erste, den er sah, doch jedermann wusste, dass diese Waffen viel zielsicherer waren als die alten Pistolen.
    »So. Stehen Sie langsam auf.«
    James

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