Ein verhaengnisvoller Winter
der alte Mann das Zeitliche gesegnet hatte.
H alb geöffnete Augen starrten sie leblos an. Wie schrecklich. Die Augen waren geöffnet, nicht geschlossen. Bedeutete das, er war doch nicht im Schlaf gestorben? Hatte sie sich heute Nacht doch nicht getäuscht und er hatte doch nach ihr gerufen? Josefine setzte sich erschüttert auf den Stuhl, der am Bett stand. Eine schöne Krankenschwester war sie. Der arme Mann hatte in den letzten Zügen gelegen und bestimmt nach ihr gerufen und sie hatte sich umgedreht und sich friedlich in die Federn gekuschelt. Eine Weile blieb Josefine bei dem Toten sitzen und überlegte, was sie denn jetzt als nächstes tun sollte. Sie wusste weder welche Angehörigen verständigt werden mussten noch kannte sie hier den Pfarrer oder einen Bestatter. Sie würde jetzt erst mal rüber gehen zu Lisbeth und Anneliese. Die konnten ihr bestimmt weiterhelfen. Nach einem letzten mitleidigen Blick auf den Toten erhob sie sich und machte sich auf den Weg.
„Also Josefine, jetzt stell dich doch nicht so an.“ Lisbeth setzte sich den kleinen Heinz auf ihrem Schoß zurecht und nahm den Löffel zur Hand.
„Ich weiß nicht, ich kenn die Schreiners ja praktisch gar nicht.“ Josefine saß Lisbeth gegenüber am Küchentisch und sah zu, wie diese ihr Kind fütterte. Anneliese und Lisbeth waren in der vergangenen Woche eine große Hilfe gewesen. Sie hatten ihr die erforderlichen Namen und Adressen gegeben, die Josefine brauchte, um alles für die Beerdigung vorzubereiten. Von Margot erfuhr sie, dass es außer dem Bruder in Krefeld keine weiteren Verwandten mehr zu verständigen gab. Nach einigem Suchen fand Josefine das von Margot erwähnte Geldversteck des alten Mannes in seinem Schlafzimmer. Viel war es nicht, aber genug, um ihn unter die Erde zu bringen. Margot konnte der Beerdigung natürlich nicht beiwohnen und so war es Josefine, die inmitten von Fremden beim Beerdigungskaffee saß, welchen man, laut Margot und Anneliese, unbedingt für Freunde und Bekannte halten musste. Das lag zum Glück jetzt alles hinter ihr, und nun, wo es den alten Mann nicht mehr zu versorgen galt und die Margot immer noch im Krankenhaus lag, da hatte Josefine neben der üblichen Arbeit auch etwas freie Zeit. Gerade versuchte Lisbeth sie zu überreden, mit auf die Geburtstagsfeier von Hedwig Schreiner zu kommen.
„Du kennst doch den Herbert. Und die Hedwig ist eine gute Freundin von der Mama. Sie hat doch ausdrücklich zu Mama gesagt, wir sollen dich mitbringen.“ Lisbeth schob Heinz den Löffel mit den Möhren in den weit geöffneten Mund.
Noch immer nicht ganz überzeugt , sah Josefine dem Kleinen beim Schmatzen zu. Eigentlich hätte sie ja schon Lust, auf eine Feier zu gehen. So niedergeschlagen, wie in den letzten Wochen war sie schon ewig nicht mehr gewesen. Und da Margot immer noch im Krankenhaus lag, wäre sie wieder den ganzen Abend alleine. „Ich hab aber gar kein Geschenk. Mit leeren Händen will ich da auch nicht hingehen.“
„Habt ihr da drüben keinen Aufgesetzten oder so etwas im Keller?“ Lisbeth kratzte den Teller aus.
„Doch, ich glaube, da unten stehen ein paar Flaschen rum.“ Josefine stand auf. „Also gut, ich komm mit. Um wie viel Uhr soll ich fertig sein?“
„Na bitte.“ Befriedigt putzte Lisbeth ihrem jüngsten den Mund ab. „Mama und ich gehen mit den Kindern schon früher. Ich hab keine Lust, dass der Toni nach Hause kommt und mir verbietet, da rüber zu gehen. Du musst nach dem Melken nachkommen.“ Als Lisbeth ihrer Freundin einen Blick zuwarf und deren Gesichtsausdruck sah, ergänzte sie: „Sag nichts, ich will nämlich nichts hören. Der Toni macht Palaver, ob er einen Grund hat oder nicht. Da kann ich genauso gut vorher meinen Spaß haben.“
„Aber Lisbeth-.“
„Reg dich nicht auf“, fiel Lisbeth ihr ins Wort. „ Wenn der sieht, dass ich nicht da bin, weiß er, dass ich doch zu der Feier gegangen bin. Dann kommt er nach und feiert mit, weil es da was zu trinken gibt.“
„Und hinterher?“, fragte Josefine besorgt.
„Das lass mal meine Sorge sein.“ Lisbeth winkte ab. „Und jetzt verderb mir mit deinem Gesichtsausdruck nicht die Freude und geh dich fertigmachen.“
Josefine stand noch zögernd in der Türe, als Anneliese in die Küche trat.
„Ach, die Josefine ist da. Ich hatte mich grad was hingelegt. Mein Bein ausruhen.“
„Macht es dir wieder zu schaffen?“, fragte Josefine mitfühlend.
„Ja, wir kriegen bestimmt anderes Wetter.“ Anneliese setzte
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