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Ein verhaengnisvoller Winter

Ein verhaengnisvoller Winter

Titel: Ein verhaengnisvoller Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Frenken
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bis er auf dem harten Linoleumboden auftraf, die restlichen Scherben bohrten sich in seinen Körper. Nur verschwommen nahm er wahr, wie ihm seine Hand um den Flaschenhals geführt wurde, welcher immer noch in seinem Hals steckte.
     
    Richard stellte eine der Einkaufstaschen auf der Fußmatte ab und griff nach der Klinke. Heute hatte er Löhnung bekommen und hatte beschlossen, endlich einmal den Vorratsschrank vollzumachen. Er freute sich schon auf eine anständige Mahlzeit. Und weil er guter Dinge war, würde er seinem Vater ausnahmsweise auch etwas kochen. Dieser war nun mal der einzige Verwandte, den Richard noch hatte, auch wenn er ein Mistkerl war. Seufzend stieß er die Tür auf, packte die Einkaufstasche und marschierte in die düstere Wohnung. Augenblicklich verschwanden seine gute Laune und sein Appetit auf Essen, als er den widerlichen Geruch vernahm, der ihm entgegenströmte. „Bah, was…?“, angewidert verzog er das Gesicht, als er den Raum betrat, der ihnen als Wohnküche diente. Abrupt blieb er stehen, als er seinen Vater vor dem verschlissenen Sofa auf dem Boden liegen sah. „Scheiße!“, stieß er wütend aus, als er die dunkle Pfütze sah, in der sein Vater lag. Hatte der Alte die Bude wieder vollgekotzt? Ungehalten stellte Richard die Einkaufstaschen ab und mit mehr Gewalt als nötig knipste er das Licht an. „Diesmal kannst du die Sauerei selber wegmachen“, schnauzte er seinen Vater an, als er auf ihn zutrat. Seine weiteren Worte blieben ihm im Halse stecken, als er erkannte, was es für eine Pfütze war, in der sein Vater da lag. Eine große Blutlache erstreckte sich vom Sofa bis zu Richards Stiefel. Richards Blick zuckte zu der hingestreckten Gestalt seines Vaters, der bäuchlings in dem Gemisch aus Blut und Scherben lag. Entsetzt hockte er sich neben die reglose Gestalt und fasste sie vorsichtig an der Schulter. „He, Vater!“ Richard beugte sich noch etwas vor und drehte Rudolf langsam auf den Rücken. Er zog erschrocken die Luft ein, als er die große Wunde sah, die im Hals seines Vaters klaffte.  „Papa?“ Richard schüttelte die reglose Gestalt, obwohl er wusste, dass das alles keinen Sinn mehr hatte. Langsam ließ er von dem Toten ab und wie betäubt sah er auf das ganze Blut und die Scherben, die darin steckten. Er wollte sich langsam wieder erheben, als er sich unbewusst abstützte und in dem Blut wegrutschte. Er schluckte, als er auf seine blutbeschmierten Hände sah, und halbherzig wischte er sie an seiner Hose ab. Verzweifelt kniete er sich wieder vor seinen Vater und starrte in dessen leere Augen. Wie oft hatte er seinen versoffenen Alten schon verflucht und wie oft hatte er ihm alles Schlechte gewünscht, wenn dieser wieder einmal um sich geschlagen hatte. Aber nie hätte er sich träumen lassen, dass sein Vater einmal wirklich nicht mehr da sein würde. Richard sah sich um, in der erbärmlichen Behausung, mit dem verschlissenen grünen Sofa, auf dem sein Vater seine Tage verbracht hatte, wenn er nicht gerade in der Kneipe gesessen hatte. Er betrachtete die runtergekommenen Schränke, die vergilbten Vorhänge und den grauen Fußboden. Das war sein Leben, dachte Richard. Sein Leben, welches er bisher mit seinem nichtsnutzigen Vater geteilt hatte. Und jetzt? Richard lachte bitter auf. Jetzt war er wirklich ganz allein.
     
    Zwei Tage später nahm Richard einen Schluck aus seiner Bierflasche und lehnte sich auf dem Sofa zurück, auf dem sein Vater vorgestern das Zeitliche gesegnet hatte. Nachdenklich schob er mit der Ferse den alten Läufer zurecht, der den verfärbten Linoleumboden bedecken sollte. So sehr Richard auch geschrubbt hatte, er konnte immer noch erkennen, wo das ganze Blut ausgetreten war. Aber vielleicht bildete er sich das auch ein. War ja nicht so, dass der Fußboden vorher wie neu gewesen wäre. Nachdenklich nahm Richard noch einen Schluck Bier, als er den Morgen an sich vorüberziehen ließ. So eine trostlose Beerdigung hatte er noch nie erlebt. Nicht dass Beerdigungen im Allgemeinen eine fröhliche Sache gewesen wären. Aber als er so ganz alleine vor dem Armengrab gestanden hatte, da war ihm erst bewusst geworden, was für eine erbärmliche Beerdigung das gewesen war. Da lag sein Vater, und Richard war der einzige Mensch, den es interessierte. Sein Vater hatte sein ganzes Leben vergeudet, seine Frau war ihm weggelaufen, die Söhne hatten ihn verabscheut und seinen Saufkumpanen war er auch nur wichtig gewesen, wenn er mit ihnen feiern konnte. Nun war nur

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