Ein verhaengnisvoller Winter
bestanden, dass Josefine sich schon einmal darauf einstellen könne, über die Feiertage nach Hause zu fahren. Dann kam Herbert vorhin nach einem seiner Besuche nebenan hier vorbei und hat seine Hilfe angeboten. Langsam begann Josefine sich wieder zu wundern, in was für einem Verhältnis Herbert und Anneliese zueinander standen. Die Nacht von Hedwigs Geburtstag kam ihr wieder in den Sinn, doch bei diesen Gedanken schüttelte sie den Kopf und konzentrierte sich wieder auf ihren Brief. Darin hatte sie ihrer Familie geschrieben dass sie vielleicht Weihnachten nach Hause käme. Immerhin waren es nur noch sieben Tage bis Heiligabend. Sie grübelte, was sie noch schreiben könnte, außer, dass die Menschen hier in ihrer Umgebung starben wie die Fliegen.
Josefine seufzte. Heute Mittag hatte Hedwig sie ganz schön erschreckt. Gleich morgen Nachmittag würde sie Richard besuchen fahren. Da hatte er ja bestimmt Feierabend. So in ihre Gedanken versunken, blinzelte sie, als sie plötzlich ein schwankendes Licht durch das Küchenfenster sah. Sie runzelte die Stirn und sah auf die Uhr. Es war zehn Uhr. Wer kam denn jetzt noch zu so später Stunde vorbei? Außerdem war es bitterkalt draußen. Das schwankende Licht kam näher und verwundert erkannte Josefine eine Männergestalt, die an ihrem Fenster vorbeifuhr. Wenig später wurde der Hof erhellt, als nebenan jemand die Türe öffnete. Das konnte doch eigentlich nur der Richard sein, oder? Als sie ärgerliche Stimmen hörte, erhob sich Josefine vom Küchentisch und ging zur Haustür. Neugierig schob sie den Kopf heraus und lugte rüber zum Nachbarhaus. Ein aufgebrachter Richard stand vor der Eingangstür und fuchtelte mit den Händen. Lisbeth stand in der Türe und die beiden stritten lautstark. Josefine zögerte. Sollte sie wieder reingehen. Da erblickte Lisbeth Josefine. „Josefine!“, rief sie erleichtert und Richard drehte sich so schnell zu ihr um, dass er das Gleichgewicht verlor und sich am Türrahmen abstützen musste. Na, das war ja wunderbar. Betrunken war er auch noch. Zögernd trat Josefine auf den Hof. „Nabend. Ich wollt nicht neugierig sein, aber ich hab euch streiten gehört.“ Sie trat einen Schritt auf die beiden zu, als Lisbeth die Augen verdrehte. „Sag dem Idioten, er soll verschwinden“, sagte sie wütend und nickte mit dem Kopf in Richards Richtung.
„Wen nennst du hier einen Idioten?“, herrschte Richard sie an.
„Schrei mich nicht an“, keifte Lisbeth, trat aber vorsichtshalber einen Schritt zurück. „Von deinem Bruder musste ich mir das lange genug gefallen lassen. Jetzt wo er nicht mehr da ist, hab ich das nicht mehr nötig. Erst recht nicht von so einem Nichtsnutz wie dir.“
„Jetzt pass mal auf“, stieß Richard aus und trat auf sie zu.
Eine blasse Lisbeth fasste den Türrahmen so krampfhaft, dass ihre weißen Fingerknöchel zitterten. „Nein, du passt auf. Lass uns in Ruhe.“
„Ich hab ein Recht darauf, meine Nichte und meinen Neffen zu sehen.“
„Aber nicht mitten in der Nacht. Und nicht, wenn du besoffen bist. Jetzt geh und komm wieder, wenn du nüchtern bist.“
„Als wenn du mich dann reinlässt. Ich hab die Anneliese die Tage im Dorf getroffen. Die hat gesagt, ich soll mich ja nicht hier blicken lassen.“ Richards Stimme wurde immer lauter. „Das sind immer noch die Kinder von meinem Bruder.“
„Mama war bestimmt wütend, weil du schlecht über uns geredet hast.“ Lisbeth stockte. „Hör zu, Richard. Das mit deinem Vater tut mir leid, aber ich will dich jetzt hier nicht haben. Komm wieder, wenn du nüchtern bist.“ Lisbeth trat noch ein Stück zurück und versuchte, die Tür zu schließen, aber Richard drückte mit der flachen Hand dagegen. Lisbeth riss alarmiert die Augen auf und warf Josefine einen verzweifelten Blick zu.
„Richard“, stieß Josefine aus . Sie trat auf ihn zu, als er von der Türe abließ und sie mit glasigen Augen ansah. „Guten Abend“, sagte sie. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein, während sie darauf wartete, dass Lisbeth die Tür schloss. Fragend sah diese Josefine an, und als diese nickte, schloss die andere Frau zögernd die Tür. Richard sah einen Augenblick von der geschlossenen Türe zu Josefine, ehe er auf unsicheren Beinen zu ihr hinüber trat.
„Du bist aber noch spät unterwegs“, sagte sie , während sie mit ihm zu ihrer Haustür schritt.
„Hatte noch einiges zu erledigen.“
„Ja, von deinem Vater hab ich heute erfahren. Das tut mir ehrlich leid, Richard“, sagte
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