Ein verhaengnisvoller Winter
die unschlüssig. „Wir sind heute Morgen erst wiedergekommen und haben nichts Frisches im Haus.“
„Komm, Josefine“, bettelte er, „Die paar Minuten. Da wird die Margot schon nicht verhungern. Ich muss auch über was Wichtiges mit dir reden.“
„Über was denn?“
„Das sag ich dir, wenn wir im Café sitzen.“
„Also gut. Auf die paar Minuten länger kommt es jetzt auch nicht an.“
Nachdem sie im Warmen saßen und ihren Kaffee vor sich stehen hatten, beugte sich Josefine neugierig vor. „Also, was hast du mir Wichtiges zu erzählen.“
„ Ja, also, ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll.“ Richard drehte nachdenklich die Kaffeetasse in seiner Hand. „Letzte Woche, als du mir das Geschenk gebracht hast, da hat mich mein Nachbar angesprochen. Er hat gesagt, an dem Tag, als mein Vater gestorben ist, da wäre eine Frau bei ihm gewesen.“
Als Josefine ihn weiterhin gespannt ansah, fuhr er erklärend fort. „Das ist ungewöhnlich. Normalerweise wagte sich keine Frau in die Nähe meines Vaters. Er hatte keinen Damenbesuch. Nie!“
„Vielleicht wusstest du nichts davon. Du bist doch den ganzen Tag arbeiten“, gab Josefine zu bedenken.
„Nein, ich bin mir ganz sicher. Mit dem konnte man doch die meiste Zeit kein vernünftiges Wort wechseln. Und wenn, dann war es nichts, was für die Ohren des weiblichen Geschlechts geeignet gewesen wäre, glaub mir. Außerdem wäre Damenbesuch nichts gewesen, womit mein Vater hinter dem Berg gehalten hätte.“
„Nun, ja, wenn du es sagst.“
„Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Ausgerechnet an dem Tag, an dem er stirbt, ist eine unbekannte Frau bei ihm?“
Josefine starrte ihn an. „Richard, was willst du denn damit sagen? Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun.“
„Und wenn doch?“
„So ein Unsinn!“
„Ich geb ja zu, es ist weit hergeholt. Aber lass mich zu Ende erzählen. Also, ich hatte ja genug Zeit zum Nachdenken. Und da hab ich gedacht, vielleicht war es ja die Lisbeth, die noch ein paar Sachen von Toni bringen wollte oder alte Fotos von Vater haben wollte oder was weiß ich. Also hab ich sie gefragt, als ich den Kindern am ersten Weihnachtstag ihre Geschenke gebracht hab.“
„Ah, da warst du also Weihnachten doch nicht allein“, stieß Josefine erleichtert aus. Sie hatte oft an den einsamen Richard denken müssen, über die Weihnach tstage.
„Ja, sie haben mich zum Essen eingeladen, für den ersten Weihnachtstag.“ Richard winkte ab. „Das haben sie sowieso nur getan, weil sie aus Anstand dazu gezwungen waren, nachdem ich den Baum aufgestellt hatte und den Kindern gesagt hatte, da ss ich sie Weihnachten besuchen komme, falls das Christkind was für sie bringen würde. Aber das ist ja jetzt unwichtig. Was ich dir erzählen wollte ist, dass Lisbeth geleugnet hat, bei uns in der Wohnung gewesen zu sein. Und Anneliese hat sich auch ahnungslos gegeben.“ Er lehnte sich zurück und kreuzte die Arme vor der Brust.
„Ja, und?“ Josefine fragte sich, was er damit sagen wollte. „Dann war es eben jemand anderes.“
„Und wer?“
„Was weiß ich. Ist doch auch egal.“
„Mir war es aber nicht egal. Also hab ich die Nachbarn gefragt. Und nochmal mit Hubert geredet.“
„ Hubert?“
„Der Nachbar von meinem Flur. Und jetzt rate, was ich herausgefunden habe.“
„Ich hab keinen Schimmer.“
„ Zwei Nachbarn haben eine Frau auf dem Bürgersteig gesehen, die hinkte!“
„Oh, bitte!“, rief Josefine und warf die Arme in die Luft. Als zwei Damen vom Nachbartisch zu ihr hinüber sahen und den Kopf schüttelten, faltete sie schnell die Hände im Schoß und senkte peinlich berührt die Stimme. „Jetzt war es also die Anneliese?“
„Nun, das weiß ich nicht genau“, gab Richard zu. „Der Hubert wusste nicht, ob die Frau gehinkt hat. Der hatte zum fraglichen Zeitpunkt Probleme mit der Verdauung und hatte andere Sorgen. Außerdem ging die Frau bloß einen Schritt zur Treppe und ist diese dann hinunter gestiegen. Er hat nicht drauf geachtet. Aber wie viele Frauen hier im Dorf humpeln denn? Ich kenn nur die Anneliese. Und dann läuft sie ausgerechnet zum fraglichen Zeitpunkt, wo mein Vater den ersten Damenbesuch seit Gott weiß nicht wann erhält, bei uns über den Bürgersteig?“
„Als wenn die Nachbarn noch wüssten, wer am Todestag deines Vaters alles an eurem Haus vorbeimarschiert ist!“
„Sie konnten sich daran erinnern, da dies der Tag gewesen ist, wo es den Eisregen gab und die Bürgersteige so glatt
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