Ein verhaengnisvoller Winter
Anneliese nicht gepasst hat, dass mein Vater anfing, die alten Vorfälle wieder und wieder rumzuerzählen? Sie ist also schließlich zu ihm gegangen…“
„Und was?“
„Keine Ahnung. Sie haben vielleicht gestritten und als mein Vater auf sie los ist, ist er dabei in die Flasche gefallen. Und anstatt zu helfen, ist sie weggelaufen.“ Er zuckte die Achseln.
„Also Richard, ehrlich. Das ist alles so weit hergeholt.“
„Warum? Du hast selbst gesagt, dass sie aufgebracht war, weil mein Vater über sie geredet hat. Selbst wenn nichts Wahres an den Geschichten dran ist, hätte es doch möglich gewesen sein können, dass sie wütend war und ihn zur Rede stellen wollte, oder?“
Jos efine zuckte wiederwillig die Achseln. „Mhh, ja gut. Vielleicht war es so. Sie hat sich geärgert, dass über sie getratscht wird, ist zu deinem Vater, er ist gefallen, sie ist entsetzt weggelaufen und traut sich jetzt nicht, es zuzugeben. Ich geb zu, das könnte so gewesen sein.“ Josefine sah Richard ernst an. „Aber Richard. Das alles ändert doch nichts. Sie schämt sich eben, zuzugeben, dass sie weggelaufen ist.“ Doch dann schüttelte Josefine den Kopf. „Nein. Ich kann nicht glauben, dass Anneliese wegläuft und jemanden einfach verbluten lässt.“
Richard schluckte. „Sie hätte nicht mehr helfen können. Er ist mit der Schlagader in den zersplitterten Flaschenhals gefallen. Er-.“
Josefine drückte seinen Arm. „Siehst du, Richard. Lass es doch gut sein“, sagte sie sanft.
Er sch üttelte ihre Hand ab. „Und wenn doch was an den Gerüchten dran ist? Wenn, Unfall, Notwehr oder Mord, die Anneliese wirklich mit ihrem Geliebten den Erwin umgebracht hat? Dann wäre ihr schon was dran gelegen, meinen Vater zum Schweigen zu bringen.“
„Willst du jetzt damit sagen, Anneliese hätte deinem Vater mit Absicht nicht geholfen ? Ich dachte man hätte ihm nicht mehr helfen können?“
„Ich will damit sagen, dass ich es merkwürdig finde, dass so kurz hintereinander mein Bruder und mein Vater gestorben sind. Und beide durch dumme Unfälle.“
„Richard! So etwas passiert nun mal. Du-.“
„Da ist noch etwas. Das ist mir erst später klargeworden“, fuhr er unbeirrt fort, als hätte sie nichts gesagt. „An dem fraglichen Tag, da bin ich am Mittag zu Hause gewesen. Ich hab meinem Vater gesagt, ich bring Abendessen mit. Er hatte sich schon den ganzen Morgen besoffen und hatte sich ein Bier vor das Sofa gestellt. Er lag in seiner Hose und im Unterhemd voll bis oben auf dem Sofa als ich gegangen bin. Der hat noch nicht mal die Kälte gespürt, so besoffen war der. Und in den Sachen ist er auch gestorben, Josi. Der war zwischendurch nirgendwo, das kannst du mir glauben. Dafür hätte der sich was anderes angezogen, selbst besoffen geht der nicht im Unterhemd auf die Straße. Es war bitterkalt draußen. So, also, ich lasse ihn sturzbetrunken und schnarchend auf dem Sofa zurück und fünf Stunden später liegt er tot in seinem eigenen Blut, unter ihm die zertrümmerte Flasche.“ Richard sah Josefine eindringlich an. „Wo hatte er die Schnapsflasche her?“
Josefine sah ihn verständnislos an. „Was?“
„Die Schnapsflasche. Wo kam sie her? An dem fraglichen Tag, da konnte ich keinen klaren Gedanken fassen, aber jetzt, im Nachhinein, wo ich alles noch mal durchgegangen bin, da frag ich mich, wo die Flasche herkam.“
„Eine alte, leere Flasche, vielleicht?“
„Unsinn. Die leere Flasche vom Vorabend stand auf der Spüle. Und die Bierflasche halbvoll auf dem Tisch vor dem Sofa. Also, wo hatte er den Schnaps her?“
Darauf wusste auch Josefine keine Antwort.
„Er war nicht ausgegangen und er hatte auch keine Freunde, die ihm sein Zeug nach Hause gebracht hätten“, sagte Richard aufgebracht. „Aber weißt du, was er hatte? Damenbesuch! Kurz vor seinem Tod. Und eine hinkende Frau, die zum fraglichen Zeitpunkt auf dem Bürgersteig vor unserem Haus gesehen wurde. Du musst doch zugeben, Josefine, dass da einiges verdächtig ist.“
„Aber du glaubst doch nicht im ernst, dass die Anneliese was mit dem Tod deines Vaters zu tun hat? Glaubst du, sie hat die Flasche mitgebracht?“
„Wer denn sonst?“
„Und wozu? Um ihn zu besänftigen, damit er nicht mehr schlecht über sie redet? Und jetzt hat sie ein schlechtes Gewissen, weil er in die Flasche gefallen ist?“ Josefine überdachte diese Möglichkeit und begann sich für ihre eigene Geschichte zu erwärmen. „Könnte sein.“
„Unsinn!“, schnaufte
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