Ein verhaengnisvoller Winter
wenn es da nicht diese eine Sache gäbe…“
Als Lisbeth sie nur hochmütig ansah, lächelte Josefine entschuldigend. Wie tief war sie doch gesunken, ihr e Freundinnen so anzulügen. „Sieh mal“, nervös befeuchtete sie sich die Lippen für ihre nächste Lüge, „es ist nicht nur so, dass ein Nachbar am fraglichen Tag eine hinkende Frau hat vor Richards Haus davongehen sehen, sondern der alte Mann, der direkt auf Richards Flur seine Wohnung hat, meint sich sicher zu erinnern, dass die Frau, die damals die Wohnung verlassen hat, ebenfalls gehinkt hat.“ Josefine merkte, wie sie verlegen errötete. Sah man ihr an, dass sie log? „Es ist doch klar, dass es Richard wundert, warum Anneliese nicht zugibt, dagewesen zu sein.“
Als Lisbeth den Mund aufmachte, fuhr sie schnell fort. „Nicht, dass es nicht eine einfache Erklärung dafür geben würde, aber warum erklärt sie denn nicht einfach, warum sie da war?“ Mit klopfendem Herzen beobachtete sie Lisbeth, während diese schwieg und einen letzten Zwieback für Gabi aus der Tasche kramte. Allein, dass sie nicht wütend auf Josefine losging, war vielversprechend. Lisbeth warf Josefine kurz einen unsicheren Blick zu, bevor sie sich zu Gabi lehnte und ihr den Zwieback in die plumpen Finger drückte. Aufgeregt wurde Josefine bewusst, dass Lisbeth etwas wusste. „Ich meine ja nur“, setzte sie zu ihrem letzten Trumpf an und fühlte sich gleichzeitig schrecklich, „es ist bestimmt nicht gut für alle Beteiligten, wenn der Richard weiterhin überall herumfragt, warum die Anneliese sich weigert, die Wahrheit zuzugeben oder so etwas und deine Mutter wieder Klatsch ausgesetzt ist. Vor allem, wo die Anneliese sich neulich erst aufgeregt hat, weil einige wieder von den alten Gerüchten über sie und Herbert angefangen haben. Und gerade jetzt, wo die Hedwig tot ist, da sind bestimmt alle gespannt, wie es sich zwischen Herbert und ihr entwickelt.“
„Was willst du denn damit sagen?“
„Gar nichts. Nur, dass sie dem Richard vielleicht die Wahrheit sagen sollte, damit er endlich aufhört, sich in der Öffentlichkeit laut zu wundern, warum sie sich weigert, zuzugeben, was Offensichtlich ist. Dann würde auch der Klatsch aufhören, weißt du?“
„Der Richard ist so ein Blödmann! Nur wegen so einer Bagatelle macht der so einen Aufstand.“ Lisbeth stellte ihre Tasche mit mehr Wucht als nötig auf den Boden. „Du kannst dem Richard bestellen, dass er Recht hat“, sagte sie schließlich leise und wütend. „Die Mama war an dem Mittag da und hat Rudolf angefleht, doch bitte mit den Gerüchten aufzuhören, aber der alte Bock hat sie nur rausgeschmissen. Sie ist dann direkt wieder gegangen. Und da hat Rudolf noch gelebt! Herbert kann bezeugen, dass sie nur ein paar Minuten oben war. Der hatte an der Ecke mit dem Auto gewartet. Anschließend hat er Mama direkt nach Hause gebracht. Sie war nämlich immer noch aufgebracht und jammerte, dass Rudolf weiter vorhatte, ihren Ruf zu ruinieren und Herbert versuchte verzweifelt, sie zu beruhigen. Ich hab ihr erst mal einen Tee gemacht, zur Beruhigung. Und danach ist sie den ganzen Tag zu Hause geblieben!“ Lisbeth funkelte Josefine wütend an. „Erst der Rudolf und jetzt der Richard. Warum haben die alle immer die Mama auf dem Kieker? Die hat doch noch nie jemandem was getan“, endete sie schließlich, immer noch flüsternd.
Josefine schluckte und wusste nicht, ob sie jetzt erleichtert, traurig oder beschämt sein sollte. Sie suchte immer noch nach einer passenden Erwiderung, als die Türe zum Bürozimmer geöffnet wurde und der Nächste aufgerufen wurde. Lisbeth sammelte ihre Kinder ein und betrat das Amtszimmer.
Josefine schob Heinz und Gabi gemeinsam in dem großen Kinderwagen durch das Dorf. „Franz, wir müssen über die Straße. Halt dich am Wagen fest, wie deine Schwester“, befahl sie, während sie wartete, dass der große Lastwagen der Brauerei an ihren vorbei fuhr. Die Kälte, die Hedwig noch eine Woche vorher zum Verhängnis geworden war, gehörte der Vergangenheit an und die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Es war zwar alles andere als warm, aber das Wetter hob Josefines Stimmung, obwohl heute Hedwigs Beerdigungstag war. Vor Richards Haus blieben sie stehen, und Josefine drückte die Klingel.
„Was machen wir denn hier?“, fragte Lina.
„Wir besuchen den Onkel Richard“, teilte Josefine den Kindern mit, während sie darauf wartete, dass die Türe geöffnet wurde. Sie hatte Richard vorgestern,
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