Ein verhaengnisvoller Winter
hätte, was in der Nacht damals passiert wäre. Er hatte schließlich den Herbert an fraglichem Abend wie so oft zu mir in die Scheune gehen sehen. Und ihn auch später weglaufen sehen.“
„Er wusste, dass die Geschichte mit den Plünderern erfunden war?“, fragte Margot.
„Nein, aber er vermutete es. Ihr könnt euch vorstellen, wie erschrocken ich war, als er damit anfing. Vor allem, als er dann drohte, ich solle ihm bloß ni cht mehr so unverschämt kommen, sonst könne er ja mal hier und da ein Wörtchen fallen lassen. Sein Gewissen erleichtern, wo er schon so alt ist und es bald bestimmt zu Ende ginge.“ Anneliese stand auf und ging ins Nachbarzimmer. Wenig später kehrte sie mit einer Flasche Johannisbeerlikör wieder und stellte diese zusammen mit mehreren Gläsern auf den Tisch. Nachdem alle anderen abgelehnt hatten, genehmigte sie sich einen Schluck.
„ Das hatte mich ganz schön erschreckt. Herbert sagte, ich solle mich doch nicht so verrückt machen. Aber ich konnte nicht anders. Aber als Josef schließlich ein paar Tage später gestorben ist, gab es ja keinen Grund zur Beunruhigung mehr. Doch dann, kurz nach Tonis Tod, da fängt der Rudolf damit an. Ich hab gedacht, es nimmt nie ein Ende.“
„Hat es aber dann“ , warf Josefine ein.
Anneliese sah sie nur stumm an.
„Und dann fing auch noch Richard an und es ging immer noch weiter. Schließlich wurde Hedwig dem Herbert lästig“, bohrte Josefine weiter. „Wo war er denn Altweiber?“
Anneliese wurde blass. „Ich hatte mit Herbert ausgemacht, mich mit ihm zu treffen. Im Anker. Allerdings musste ich dafür die Hedwig loswerden. Also bin ich mit dem Walter wieder nach Meiss gegangen. Dann hab ich ihn stehenlassen und bin in den Anker gegangen. Hab mich für eine Stunde mit Herbert getroffen und dann wollte er schließlich zum Ochsen, damit Hedwig ihn sah und wusste, dass er nicht mit mir zusammen war.“
„Nun, da wird er sie auch gefunden haben“, warf Josefine ein.
„Und als er sich ihrer entledigt hatte, dachte er, er könne sich nach einer gewissen Trauerzeit endlich richtig um dich bemühen“, warf Margot ein. „Meine Güte, das ergibt alles wirklich einen Sinn.“
„Und als Richard dann gestern auftauchte und drohte, zur Polizei zu gehen, musste er handeln. Also hat er versucht, Richard umzubringen.“
„Aber Josefine, Herbert wusste doch nicht, dass er Richard nach Hause fahren würde und dieser praktisch wehrlos war.“
„Vielleicht hat er ihm ja was in den Kaffee getan oder so“, warf Lisbeth leise ein und wurde danach puterrot. „Entschuldige, Mama. Aber möglich wäre es. Er hat darauf bestanden, dabei zu sein. Und er saß direkt neben ihm.“ Als Lisbeth sah, wie ihrer Mutter Tränen in die Augen traten, fuhr sie schnell fort. „Mama, stell dir vor, Josefine hat recht. Ich will es ja auch nicht glauben. Aber der Herbert hat schon immer alles getan, damit es dir gut geht. Und hier ging es ja nicht nur um dich, sondern auch um ihn.“
Anneliese rieb sich mit zitternden Händen übers Gesicht. „Mein Güte. Wenn ihr wirklich recht habt...“
„Es tut mir leid, Anneliese. Aber wenn der Richard morgen in der Lage ist, alles genau zu erzählen, wird die Polizei der Sache auf den Grund gehen.“ Josefine sah die andere Frau mitleidig an.
„Oh Gott. Der Herbert. Was soll ich denn jetzt machen?“, jammerte Anneliese mit zitternder Stimme. „Vielleicht war er es ja doch nicht.“
Josefine stand langsam auf. „Leg dich am besten jetzt hin und versuch zu schlafen, Anneliese.“
„Ja, Mama. Und morgen überlegen wir, wie wir allem entgegensehen.“ Lisbeth erhob sich ebenfalls. Doch Anneliese reagiert nicht. Als Josefine und Margot die Küche verließen, saß sie immer noch regungslos am Küchentisch.
„Herbert! Herbert!“ Eine aufgelöste Lisbeth hämmerte verzweifelt an die Haustüre der Schreiners, als einer der Söhne ihr die Tür öffnete.
„Lisbeth, was machst du denn hier, i n aller Herrgottsfrühe?“ Friedrich blinzelte in den immer noch stockdunklen Morgen, ehe sein Blick wieder auf die verzweifelte Frau vor ihm traf.
„Bitte, ich muss unbedingt deinen Vater sprechen.“
„Was? Wieso, ich-.“
„Bitte, Fritz, ich erklär alles später. Jetzt hol bitte den Herbert.“
Zögernd trat Friedrich einen Schritt zurück und ließ Lisbeth ein. Dann fiel sein Blick auf einen Umschlag, der auf der Schwelle lag. Verwundert hob er ihn auf. „Moment, ich hol ihn“, sagte er mit einem letzten
Weitere Kostenlose Bücher