Ein verhängnisvolles Angebot
lassen. Jedenfalls hoffte Lauryn es.
Als sie den Augenblick nicht länger hinauszögern konnte, wandte sie sich zu Adam um. Er lehnte mit einer Schulter am Türrahmen. Sein Haar sah ein wenig unordentlicher aus als üblich, und Lauryn war versucht, es ihm glatt zu streichen.
„Was hast du deiner Mutter gesagt?“, fragte sie. „Über uns, meine ich. Als Cassie mich heute gefragt hat, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Wir müssen uns absprechen, Adam.“
„Stimmt.“ Sein unverwandter Blick machte sie noch unruhiger. „Was hast du Cassie denn erzählt?“
„Dass wir uns bei der Arbeit kennengelernt und versucht haben, unsere Beziehung geheim zu halten, weil du immerhin mein Boss bist.“
„Gut, dann halte ich mich an die Version.“
„Aber was hast du zu deiner Mutter gesagt?“
„Was du gehört hast. Dass ich meine Buchhalterin geheiratet habe. Mutter war nicht nüchtern genug, um mehr als das aufzunehmen. Sie hat ein ziemliches Problem mit dem Alkohol. Wenn man sich richtig mit ihr unterhalten will, versucht man es am besten vor dem Mittagessen.“
Lauryn hörte die unterdrückte Wut in seiner Stimme – oder war es Verzweiflung? „Was ist mit deinen Geschwistern? Abgesehen von Cassie hast du noch je zwei Brüder und zwei Schwestern, oder?“
„Genau. Zwei ältere Brüder und zwei jüngere Schwestern. Ich werde ihnen eine E-Mail schicken.“
„Willst du sie nicht lieber anrufen?“
„Wir stehen uns nicht so nahe.“
Tiefes Mitleid überkam sie, das ihr die Kehle zuzuschnüren drohte. Doch Lauryn konnte sich nicht einmal ein so unschuldiges Gefühl für Adam leisten. Sie musste Abstand halten. Immerhin hatte er Verwandte – was sie von sich leider nicht behaupten konnte –, selbst wenn seine Familie anscheinend nicht perfekt war. Dass er kein gutes Verhältnis zu seinen Geschwistern hatte, lag wahrscheinlich auch an ihm. „Trotzdem …“
Der Teekessel fing an zu pfeifen, und Lauryn fuhr erschrocken zusammen.
Adam stieß sich lässig vom Türrahmen ab, stellte den Herd ab und nahm den Kessel herunter. „Lauryn, es würde mehr als seltsam aussehen, wenn ich meine Hochzeitsnacht damit verbringe, mit meinen Geschwistern zu plaudern, statt mit meiner Braut allein zu sein.“
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, ihr Atem ging schneller. Was sie jetzt brauchte, das waren Ruhe und Abgeschiedenheit, kein heißer Tee. Und sie musste versuchen, sich zu sammeln und ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. „Ist es um diese Uhrzeit sicher, am Strand spazieren zu gehen?“
„Nicht allein.“
„Oh. Na ja, macht nichts.“
„Hol dir eine Jacke.“
„Schon gut, Adam, ich …“
„Hol dir eine Jacke. Wir machen einen Spaziergang.“ Die Worte klangen wie ein Befehl und gleichzeitig wie eine Warnung. Lauryn wagte nicht, sie zu ignorieren.
Vor allem wenn sie diese Nacht hinter sich bringen wollte, ohne etwas zu tun, das sie später bereuen könnte – wie zum Beispiel diese Scheinehe doch noch zu vollziehen.
6. KAPITEL
Adam konnte nicht schlafen.
Was ihn nicht besonders überraschte.
Er stützte die Ellbogen auf das Verandageländer und sah in die Nacht hinaus, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Das gleichförmige Klatschen der Wellen ans Ufer linderte seine innere Anspannung keineswegs, und die frische Meeresbrise kühlte seine erhitzte Haut nicht ab. Die Schuld daran traf natürlich die Frau, die jetzt auf der anderen Seite der Wand schlief. Lauryns Kuss nach der Zeremonie hatte ihn elektrisiert. Doch im nächsten Moment war seine Braut wieder kühl und zurückhaltend geworden. Wie schaffte sie es nur? Ihm war es unmöglich, sich wieder zu beruhigen. Sein ganzer Körper brannte regelrecht vor Verlangen.
Aber warum ausgerechnet jetzt? Weshalb bei dieser Frau? Wieso rief ausgerechnet eine Frau, die nichts mit ihm zu tun haben wollte, diese brennende Leidenschaft in ihm hervor? Erst nachdem Lauryn sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen hatte, war ihm bewusst geworden, dass er während des langen Spaziergangs am Strand und beim Scrabble-Spielen danach nichts Neues über sie erfahren hatte. Außer dass Lauryn über einen größeren Wortschatz verfügte als er und mindestens genauso eine Kämpfernatur war wie er.
Seine Frau ließ sich nicht in die Karten schauen.
Meine Frau, wiederholte er in Gedanken. Ich bin ein verheirateter Mann.
Plötzlich wurde ihm flau zumute. Im Mondschein schimmerte sein Ehering, und Adam hielt inne. Er betrachtete seine Hand und stellte irritiert fest, dass er
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