Ein verhängnisvolles Versprechen
seiner erotischen Fantasien eingebaut hatte. Selbstverständlich hatte er nie etwas unternommen, um diese Fantasien in die Tat umzusetzen. So einer war er nicht. Es war nur ein harmloser Tagtraum mit einer hübschen Frau. Ganz normales Zeug.
Er drehte sich um. Auf dem Rücksitz lagen ein paar handgeschriebene Notenblätter. Er erstarrte. Dann streckte er langsam die Hand danach aus. Er hatte die Handschrift erkannt. Es war Aimees. Er ergriff ein Blatt, zog es vorsichtig zu sich heran und hielt es behutsam fest, als bestünde es aus hauchdünnem Porzellan.
Das hatte Aimee geschrieben.
Er hatte einen Frosch im Hals. Seine Fingerspitzen glitten langsam über die Wörter und Noten. Seine Tochter hatte dieses Blatt Papier in der Hand gehalten. Sie hatte die Stirn in Falten
gelegt, wie sie es immer machte, wenn ihre Lebenserfahrung gefordert war, und hatte dieses kleine Werk geschaffen. Eigentlich war das ein sehr schlichter Gedanke, aber er bedeutete Erik auf einmal sehr viel. Seine Wut war verflogen. Er wusste, dass sie zurückkommen würde. Doch im Moment war sein Herz schwer. Er empfand keinen Zorn mehr. Nur noch Schmerz.
Dann beschloss Erik, den Kofferraum zu öffnen.
Er sah zu Lorraine Wolf hinüber. Ihre Miene veränderte sich. Er wusste nicht, warum. Er öffnete die Wagentür und stieg aus. Er ging zum Kofferraum, griff mit einer Hand nach der Haube, drückte mit der anderen den Knopf zum Entriegeln und zog sie hoch. Hinter ihm auf dem Sportplatz raschelte es. Erik drehte sich um und sah, dass Myron auf ihn zu stürzte.
»Erik, warte …«
Erik öffnete den Kofferraum.
Schwarze Plane. Das sah er als Erstes. Schwarze Plane, in die etwas eingewickelt war. Er bekam weiche Knie, hielt sich aber auf den Beinen. Myron kam näher, aber Erik streckte ihm eine ausgebreitete Hand entgegen, zum Zeichen, dass er zurückbleiben sollte. Er versuchte, ein Loch in die Plane zu reißen. Sie war zu stabil. Er riss und zerrte hektisch daran herum. Die Plane hielt stand. Erik geriet in Panik. Er keuchte. Er verschluckte sich.
Er zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und drückte einen spitzen Schlüssel in die Plane. Sie riss auf. Erik sah Blut. Er schlitzte die Plane mit dem Schlüssel weiter auf und griff mit beiden Händen hinein. Es war nass und klebrig. Verzweifelt zerrte Erik an der Plane, als wäre er selbst darin gefangen und bekäme keine Luft.
Er sah das Gesicht der Leiche und richtete sich auf.
Myron stand jetzt direkt neben ihm.
»Oh mein Gott«, sagte Erik. Er sackte in sich zusammen. »Oh, ich danke dir …«
Es war nicht seine Tochter. Es war Drew Van Dyne.
53
Lorraine Wolf sagte: »Ich habe ihn aus Notwehr erschossen.«
Myron hörte die Sirenen in der Ferne. Er stand neben Erik Biel und Lorraine Wolf am Kofferraum. Er hatte die Polizei gerufen. Sie musste jeden Moment hier sein. Er ließ den Blick über den Fußballplatz streifen. Win und Jake Wolf kamen aus der Dunkelheit auf sie zu. Myron war vorgelaufen, während Win sich um ihren Verdächtigen gekümmert hatte.
»Drew Van Dyne war bei uns«, fuhr sie fort. »Er hat Jake mit einer Pistole bedroht. Ich hab das zufällig mitgekriegt. Dabei hat er jede Menge verrücktes Zeug über Aimee gebrüllt.«
»Was für Zeug?«
»Dass sie Jake nichts bedeutet. Dass sie für ihn nur ein dämliches Flittchen ist. Dass sie schwanger ist. Er hat getobt.«
»Und was haben Sie dann gemacht?«
»Wir haben ein paar Gewehre im Haus. Jake ist nämlich Jäger. Also habe ich mir eine Flinte geholt. Ich habe auf Drew Van Dyne angelegt. Dann habe ich ihm gesagt, dass er die Pistole fallen lassen soll. Das wollte er nicht. Ich hab das gleich gesehen. Also …«
»Nein!« Jake Wolf hatte sie gehört. »Ich hab Van Dyne erschossen!«
Alle sahen ihn an. Die Sirenen wurden lauter.
»Ich hab ihn aus Notwehr erschossen«, bekräftigte Jake Wolf noch einmal. »Er hatte mich mit einer Pistole bedroht.«
»Und warum haben Sie die Leiche dann in den Wagen geladen und versucht, sie zu verstecken?«, fragte Myron.
»Aus Angst, dass man mir nicht glaubt. Ich wollte ihn zu seinem Hause bringen und da hinlegen. Mir ist erst unterwegs klar geworden, wie dumm das ist.«
»Wann ist Ihnen das klar geworden?«, fragte Myron. »Als Sie uns gesehen haben?«
»Ich will einen Anwalt«, sagte Jake Wolf. »Lorraine, sag jetzt nichts mehr.«
Erik Biel trat vor. »Mich interessiert das alles überhaupt nicht. Meine Tochter. Wo ist meine Tochter?«
Keiner rührte sich. Keiner sagte
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