Ein verhängnisvolles Versprechen
Mist?
Crowley war ein kleiner, unbedeutender Mann mit hängenden Schultern, der sich die Haare über die Glatze kämmte. Er hasste Sportler. Man sah ihm schon von weitem an, wie neidisch er war. Wenn Crowley einem gutaussehenden und sportlichen Kerl wie Randy gegenübertrat, wurde ihm jedes Mal klar, was ihm in seiner Jugend alles versagt geblieben war.
So hatte das Ganze angefangen.
Randy hatte für Crowleys Geschichtskurs einen wunderbaren Essay über die Tet-Offensive im Vietnamkrieg geschrieben.
Crowley hatte ihm ein C minus gegeben. Ein beschissenes C minus. Ein Freund von Randy, Joel Fisher, hatte ein A bekommen. Jake hatte beide Essays gelesen. Randys war besser gewesen. Und nicht nur Jake Wolf hatte das so gesehen. Er hatte beide Essays mehreren Personen zum Lesen gegeben. Er hatte ihnen nicht gesagt, welcher Essay von seinem Sohn und welcher von Joel war.
»Welcher ist besser?«, hatte er hinterher gefragt.
Und fast alle hatten seine Meinung geteilt. Randys Aufsatz – der mit dem C minus – war der bessere.
Es schien eine Kleinigkeit zu sein, aber es war keine. Dieser Schein machte drei Viertel der Geschichtszensur aus. Dr. Crowley hatte Randy ein C gegeben. Dadurch hatte Randy in diesem Semester keine Auszeichnung für herausragende Leistungen bekommen, viel wichtiger war aber noch, dass Randy aus den besten zehn Prozent seines Jahrgangs herausgerutscht war. Dartmouth hatte sich ganz klar ausgedrückt. Mit den Ergebnissen, die Randy in den Zulassungstests erreicht hatte, musste er unter den besten zehn Prozent seines Jahrgangs sein. Wenn dieses C ein B gewesen wäre, hätten sie Randy genommen.
Das war der Unterschied.
Jake und Lorraine hatten mit Dr. Crowley gesprochen. Sie hatten ihm die Situation erklärt. Crowley hatte keinen Millimeter nachgegeben. Er hatte abweisend reagiert und sich an seiner Macht hochgezogen, so dass Jake all seine Willenskraft zusammennehmen musste, um den Mann nicht aus dem Fenster zu werfen. Aber Jake hatte nicht so schnell aufgegeben. Er hatte einen Privatdetektiv angestellt, der die Vergangenheit des Mannes durchforsten sollte. Aber Crowley hatte ein erbärmliches Leben geführt, in dem nichts, aber auch gar nichts Erwähnenswertes passiert war – besonders im Vergleich zu Randys Leben … Er hatte nichts gefunden, was er gegen den Mann hätte verwenden können.
Wenn Jake sich also an die Regeln gehalten hätte, wäre das das Ende der Fahnenstange gewesen. Seinem Sohn wäre ein
Studium an einer Ivy-League-Universität verwehrt geblieben – durch die Laune eines Nichts wie Crowley.
Nein. Keine Chance.
Und so hatte alles angefangen.
Jake schluckte und starrte auf die Schülerparty. Sein Sohn stand mittendrin – wie eine Sonne, die von unzähligen Planeten umkreist wurde. Er hielt einen Becher in der Hand. Bei Randy sah alles so lässig aus. Er strahlte bei allem, was er tat, eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit aus. Jake Wolf stand im Schatten und überlegte, ob es irgendeine Möglichkeit gab, die Lage doch noch zu retten. Er glaubte nicht daran. Es war, als versuche man, Wasser in den Händen zu halten. Lorraine gegenüber hatte er sich selbstbewusst gegeben. Er hatte gehofft, sie könnten die Leiche in Drew Van Dynes Haus schaffen. Lorraine sollte den Fleck entfernen. Mit etwas Glück hätte es noch klappen können.
Aber dann war Myron Bolitar aufgetaucht. Jake hatte ihn von Van Dynes Garage aus gesehen. Er saß in der Falle. Er hatte noch versucht, die beiden zu überraschen, war einfach losgerast und hatte gehofft, dass er sie abhängen und die Leiche irgendwo anders entsorgen konnte. Doch nach der ersten Kurve hatte er Lorraine auf dem Rücksitz eines Mercedes gesehen, und spätestens da war ihm klar gewesen, dass alles vorbei war.
Er würde sich einen guten Anwalt nehmen. Den besten. Er kannte jemanden in der Stadt. Lenny Marcus. Ein fantastischer Strafverteidiger. Er würde ihn anrufen und fragen, was da zu machen war. Aber tief im Innersten wusste Jake Wolf, dass es vorbei war. Zumindest für ihn.
Darum stand er jetzt hier. Im Schatten. Um seinen tollen, perfekten Sohn zu beobachten. Randy war das Einzige, was er je richtig hingekriegt hatte. Sein Junge. Sein geliebter Sohn. Aber das reichte ihm. Jake war ihm sofort verfallen gewesen, seit er das Baby im Krankenhaus zum ersten Mal gesehen hatte. Er war zum Training gegangen, sooft er nur konnte. Er war zu jedem Spiel
gegangen. Und nicht nur, um Randy zu unterstützen – beim Training hatte
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