Ein verhängnisvolles Versprechen
Sie schon anrufen, Erik. Wir haben gedacht, dass Sie Aimee vielleicht überzeugen können. Schließlich ging es nicht nur um Randys Zukunft, sondern auch um ihre eigene.«
Sie näherten sich Van Dynes Haus.
»Das ist eine hübsche Geschichte, Mrs Wolf«, sagte Myron. »Aber Sie haben da was ausgelassen.«
Sie schloss die Augen.
»Wessen Blut war das auf Ihrem Teppich?«
Keine Antwort.
»Sie haben gehört, wie ich die Polizei angerufen habe. Die Spezialisten von der Spurensicherung sind schon unterwegs. Die werden Tests machen. Auf die DNA und alles. Die kriegen das sowieso raus.«
Lorraine Wolf sagte immer noch nichts. Sie waren jetzt in der Straße, in der Drew Van Dyne wohnte. Die Häuser waren kleiner und älter. Der Rasen in den Vorgärten war nicht ganz so grün. Die Zweige der Sträucher hingen lang herab. Win hatte Myron genau erklärt, wo er sich versteckt hatte, sonst hätte Myron ihn auch nicht entdeckt. Sie hielten, und Myron sah Erik an.
»Wartet hier einen Moment.«
Myron stieg aus, trat hinter einen Baum und fand Win am beschriebenen Ort.
Myron sagte: »Ich seh Van Dynes Wagen nicht.«
»Er ist in der Garage.«
»Wie lange ist er schon da?«
»Wann habe ich angerufen?«
»Vor zehn Minuten.«
Win nickte. »Da hast du’s.«
Myron betrachtete das Haus. »Es brennt kein Licht.«
»Ist mir auch aufgefallen.«
»Er ist vor zehn Minuten in die Garage gefahren und noch nicht ins Haus gegangen?«
Win zuckte die Achseln.
Sie hörten ein Quietschen. Das Garagentor öffnete sich. Scheinwerfer strahlten ihnen ins Gesicht. Der Wagen schoss heraus. Win zog seine Pistole und zielte. Myron legte seinem Freund die Hand auf den Arm.
»Aimee könnte im Wagen sein.«
Win nickte.
Der Wagen raste die Einfahrt entlang und bog nach rechts auf die Straße ein. Er passierte das geparkte Auto, in dem Erik Biel und Lorraine Wolf saßen. Van Dynes Toyota schien einen Moment lang zu zögern, beschleunigte dann jedoch.
Myron und Win rannten zum Wagen zurück. Myron setzte sich auf den Fahrersitz, Win auf den des Beifahrers. Hinten hatte Erik Biel die Pistole immer noch auf Lorraine Wolf gerichtet.
Win drehte sich um und lächelte Erik zu. »Hi«, sagte er.
Win griff nach hinten, als wollte er Erik die Hand schütteln. Stattdessen griff er nach Eriks Pistole und nahm sie ihm ab. Einfach so.
Myron fuhr los, als Van Dynes Wagen um die Ecke verschwand. Win betrachtete die Pistole, runzelte die Stirn und entlud sie.
Die große Jagd hatte begonnen. Aber sie sollte nicht lange dauern.
51
Drew Van Dyne saß nicht am Steuer seines Wagens.
Da saß Jake Wolf.
Jake fuhr schnell. Er bog ein paar Mal ab, hielt aber nach nicht einmal zwei Kilometern schon wieder an. Sein Vorsprung war groß genug. Er kam zur Roosevelt Mall, raste zur Rückseite und parkte. Er ging über die dunklen Fußballfelder in Richtung Livingston High School. Er nahm zwar an, dass Myron Bolitar ihm folgen würde, glaubte jedoch, noch etwas Zeit zu haben.
Er hörte die Party. Kurz darauf sah er auch den Lichtschein. Die laue Nachtluft war angenehm in der Lunge. Jake betrachtete die Bäume, die Häuser, die Autos und die Einfahrten. Er hing an dieser Stadt. Er hing an seinem Leben hier.
Als er näher kam, hörte er das Lachen der Gäste. Er dachte darüber nach, was er eigentlich hier wollte. Er schluckte und stellte sich hinter eine Pinienreihe im Nachbargarten. Durch eine Lücke zwischen zwei Bäumen betrachtete er das Zelt.
Jake Wolf fand seinen Sohn auf den ersten Blick.
So war das mit Randy schon immer gewesen. Er war nicht zu übersehen. Er ragte heraus – in jeder Beziehung. Jake erinnerte sich noch an Randys erstes Fußball-Turnier. Es hatte in der ersten Klasse stattgefunden. Drei- oder vierhundert Kinder waren planlos wie heiße Gasmoleküle herumgehüpft. Jake war etwas später gekommen, hatte aber nur Sekunden gebraucht, um seinen freudestrahlenden Jungen in der Masse ähnlich aussehender Kinder zu entdecken. Es war fast, als wäre ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet, der jede seiner Bewegungen perfekt ausleuchtete.
Jake Wolf sah nur zu. Sein Sohn sprach mit ein paar Kumpeln. Alle lachten über etwas, das Randy gesagt hatte. Jake starrte hinüber und spürte, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten. Viele Leute trugen eine Mitschuld, dachte er. Er überlegte, wie das Ganze angefangen hatte. Vielleicht bei Dr. Crowley. So ein beschissener Geschichtslehrer, der einen Doktortitel führt. Was sollte so ein prätentiöser
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