Ein verhängnisvolles Versprechen
er immer
geglaubt hatte, dass sie füreinander bestimmt waren, würde am Wochenende heiraten.
Myron wollte darüber schlafen. Aber es gelang ihm nicht.
14
Es wurde Zeit, mit Aimee Biels Eltern zu reden.
Es war sechs Uhr morgens. Loren Muse, die Ermittlerin der Staatsanwaltschaft, saß im Schneidersitz auf dem Fußboden. Sie trug Shorts, und der grobe Teppichboden kratzte an ihren Beinen. Um sich hatte sie den Polizeibericht und die Akten ausgebreitet. In der Mitte lag der Zeitplan, den sie erstellt hatte.
Aus dem Nebenzimmer drang lautes Schnarchen an ihr Ohr. Eigentlich wohnte Loren seit über zehn Jahren allein in dieser schäbigen Erdgeschosswohnung. Sie hatte sie als »Wohnung mit Garten« gemietet, obwohl im kleinen Hof nur der eintönige, rote Backstein gedieh. Diese robusten Häuser mit dem Charme von Gefängniszellen waren Übergangsquartiere für Menschen auf dem Weg nach oben oder nach unten, und für ein paar wenige, denen das Privatleben mehr oder weniger zu einer Hölle geworden war, aus der sie sich nicht befreien konnten.
Im Nebenzimmer schnarchte nicht etwa ihr Freund. Loren hatte zwar einen – einen totalen Loser namens Pete –, aber ihre Mutter, die mehrfach geschiedene und verwitwete, ehemals begehrenswerte und jetzt erschlaffte Carmen Valos Muse Brewster Undsoweiter, befand sich gerade zwischen zwei Beziehungen und war daher bei ihr eingezogen. Das Schnarchen kam von dem Schleim, der sich in den Bronchien der Kettenraucherin gesammelt hatte, und wurde noch verstärkt durch den jahrelangen Konsum von billigem Wein und das Trällern kitschiger Lieder.
Der Küchentresen war voller Krümel. In der Mitte lag eine leere Cracker-Packung neben einem offenen Erdnussbutterglas,
aus dem ein Messer wie Excalibur aus dem Stein herausragte. Loren inspizierte die Telefonlisten, die Kreditkarten-Abrechnungen, die Liste mit den E-ZPass-Abrechnungen für Brücken- und Straßenmaut. Daraus ergab sich ein interessantes Bild.
01.56: Aimee Biel zieht Geld am Automaten der Citibank-Filiale an der 52nd Street – demselben Geldautomaten, den Katie Rochester vor drei Monaten auch benutzt hat. Sehr seltsam.
02.16: Aimee Biel versucht Myron Bolitar in seiner Wohnung in Livingston zu erreichen. Der Anruf dauert nur wenige Sekunden.
02.17: Aimee ruft Myron Bolitars Handy an. Das Gespräch dauert drei Minuten.
Loren nickte. Wahrscheinlich hatte Aimee Biel erst versucht, Bolitar zu Hause anzurufen, und als er nicht ranging – das würde die Kürze des ersten Anrufes erklären –, hatte sie seine Handynummer gewählt.
Also weiter:
02.21: Myron Bolitar ruft Aimee Biel an. Der Anruf dauert eine Minute.
Erste Ermittlungen hatten ergeben, dass Bolitar häufig in New York in der Wohnung eines Freunds namens Windsor Horne Lockwood III übernachtete. Lockwood war polizeibekannt. Trotz seines feudalen Stammbaums und der zugehörigen Ausbildung wurde er verdächtigt, mehrere Menschen tätlich angegriffen zu haben. Womöglich gingen sogar ein paar Morde auf seine Rechnung. Sein Ruf war völlig aberwitzig. Mit dem vorliegenden Fall hatte er aber auf den ersten Blick nichts zu tun.
Höchstwahrscheinlich war Bolitar in Lockwoods Apartment in Manhattan gewesen. Er hatte seinen Wagen in einem nahegelegenen Parkhaus abgestellt. Nach Auskunft des Parkplatzwärters hatte Bolitar den Wagen gegen 02.30 Uhr abgeholt.
Sie konnten es noch nicht beweisen, aber Loren war sich ziemlich sicher, dass Bolitar nach Midtown gefahren war und Aimee Biel abgeholt hatte. Sie versuchten gerade, an die Bilder von den Überwachungskameras der Geschäfte dort heranzukommen. Vielleicht war Bolitars Wagen darauf irgendwo zu sehen. Die These klang aber so plausibel, dass sie auch ohne Bestätigung erst einmal damit weiterarbeitete.
Zurück zum Zeitplan:
03.11: Sie hatten eine Kreditkarten-Abbuchung von Bolitars Visa-Konto von der Exxon-Tankstelle an der Route 4 in Fort Lee, New Jersey. Das war gleich hinter der George Washington Bridge.
03.55: Der E-ZPass an Bolitars Wagen zeigte, dass er auf dem Garden State Parkway in Richtung Süden gefahren war und dort auch die Mautstation in Bergen County passiert hatte.
04.08: Bolitars E-ZPass wurde an der Mautstation in Essex County registriert, was zeigte, dass Bolitar weiter Richtung Süden gefahren war.
Weitere Maut-Abbuchungen gab es nicht. Vielleicht war er an der Ausfahrt 145 abgebogen und zu seinem Haus in Livingston gefahren. Loren zeichnete die Strecke nach. Das leuchtete
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