Ein verruchter Lord
Grund des Besuches kamen. Lementeur, wegen seiner geringen Größe auch Button genannt, fragte beiläufig nach Lord und Lady Blankenship, die er kannte, kondolierte zum Tod des Onkels und war so taktvoll, ihm nicht zu seinem daraus resultierenden Aufstieg in den Hochadel zu gratulieren.
Jack, derzeit eher menschenscheu, fühlte sich merkwürdig wohl in der Gegenwart des Mannes mit dem lustigen Gnomengesicht. Und so fiel es ihm auch weniger schwer als erwartet, sein Anliegen vorzubringen.
» Ich brauche ein Kleid, nein, vier « , sagte er unvermittelt und griff in den Kartoffelsack, den er nachts aus dem dunklen Küchentrakt entwendet hatte, um daraus ein schwarzes Stoffbündel hervorzuziehen. » Diese Größe « , fügte er hinzu.
Lementeur faltete das Kleid vorsichtig auseinander, zupfte Jutefäden ab, die der Sack darauf hinterlassen hatte, und betrachtete es. » Aha. « Er nickte. » Sehr schlank und eher groß. Eine elegante Figur gewiss. « Er rümpfte die Nase. » Die Farbe allerdings scheint ein wenig zu trist. «
» Trauer. « Jack nippte an seinem Kaffee. » Aber das ist vorbei. «
» Hm. « Button klopfte mit dem Fingernagel gegen seine Tasse, was dem Porzellan einen hellen Klang entlockte. Fast wie von einem kleinen Glöckchen. » Die Dame hat ihr Trauerjahr also beendet. Vielleicht ein dezentes Lavendel – für das Jahr nach der Trauer? «
» Farbe. Die Trauer ist vorbei – hätte eigentlich nie stattfinden sollen « , sagte Jack und reichte ihm das zweite Kleid.
» Guter Gott. Haben Sie die Dame etwa völlig ohne Kleider zurückgelassen? « Es war spöttisch gemeint, begleitet von einem lustigen Augenzwinkern, doch Jack starrte ihn mit einem Mal entsetzt an.
» Aha, Farbe also. « Rasch wechselte Button das Thema. » Ein kleiner Hinweis auf die Haarfarbe der Dame wäre nützlich. Ist sie blond? «
» Nein, dunkel. «
» Wie dunkel? Dunkler als, sagen wir, die junge Lady Blankenship? «
Als Jack nickte, wandte der Modeschöpfer seine Aufmerksamkeit dem Schnitt der Kleider zu, die extrem züchtig wirkten. » Ist die Dame eventuell an einem etwas gewagteren Ausschnitt interessiert? «
Er zögerte und dachte an Laurels prachtvolle Brüste und stellte sich vor, wie sie in einem tiefen Dekolleté zur Geltung kämen …
» Mylord? «
Jack riss sich zusammen und schluckte schwer. Button erlaubte sich die Andeutung eines Lächelns. » Ich werte das als Zustimmung. « Er zupfte an einer langweiligen Satinschleife und verzog geringschätzig den Mund. » Wird die Dame uns für eine Anprobe zur Verfügung stehen? «
» Nein. Es soll eine Überraschung werden. «
» Eine äußerst großzügige, Mylord, wenn ich bedenke, dass Sie mehrere Kleider wünschen. Natürlich bin ich von diesem Auftrag entzückt. Es sollen also vier Kleider sein? « , vergewisserte sich Button mit einem zufriedenen Funkeln in den Augen.
Jack nickte. » Drei für tagsüber und eins … « Er winkte in Richtung einer Ankleidepuppe, die in der Nähe stand und in eine Kreation der Spitzenklasse gehüllt war, würdig einer Königin. Es war ein Traum aus Goldlamé und schimmerndem scharlachrotem Satin. » So etwas wie das da. «
» Noch ein wenig Kaffee, Mylord? « Button war sichtlich entzückt. » Drei Tageskleider und ein Abendkleid. Hat sich Seine Lordschaft eine bestimmte Farbe vorgestellt? Vielleicht passend zur Augenfarbe der Dame? «
» Blau. «
Button rührte mit einem fein ziselierten Silberlöffel in seinem Kaffee herum, obwohl er weder Sahne noch Zucker nahm. Der Löffel klirrte sanft an dem Porzellan, und wieder fühlte sich Jack an das Geläut winziger Glocken in der Ferne erinnert.
» Es gibt so viele verschiedene Blauschattierungen « , sagte Button. » Graublaue Augen etwa verlangen geradezu nach einem silbernen Kleid. Blauviolett ist relativ selten. Das Blau des Himmels hingegen … «
» Ja « , unterbrach ihn Jack. » Das ist es. Himmelblau. «
» Dunkles Haar. Augen von der Farbe des Himmels. Grundgütiger, genau wie bei der kleinen Lady Melody, nicht wahr? «
Jack warf Button einen scharfen Blick zu, aber der rührte nur nachdenklich und mit einem freundlich-unverbindlichen Ausdruck auf seinem Gnomengesicht in seinem Kaffee, von dem er bislang keinen Schluck getrunken hatte. Schließlich stellte er die Tasse auf das kleine Tischchen und erhob sich. » Ich glaube, ich habe etwas da, was sie der jungen Dame gleich mitnehmen könnten. Man sollte sie schließlich nicht ganz ohne lassen … «
» Sie
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