Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein verruchter Lord

Ein verruchter Lord

Titel: Ein verruchter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
Vom Netzwerk:
sie nicht.
    Die Wahrheit war viel einfacher und bitterer: Laurel wurde für Amaryllis und das Ansehen der Familie geopfert.
    Die ernsthafte, nachdenkliche und kluge Laurel, die niemand aus der sogenannten guten Gesellschaft zu verstehen schien – die alles sah und anderen ihre Lächerlichkeit wie in einem Spiegel vorhielt. Das Mädchen, das nie tratschte oder kicherte und auch nicht flirtete – das immer Fragen stellte, die niemand beantworten mochte oder konnte.
    Für Lord John Redgrave hingegen, den Erben des Marquis of Strickland, der gebrochen aus dem großen Krieg gegen Napoleon heimkehrte, wurde sie zum Rettungsanker, weil sie sich von seiner düstern Aura nicht abschrecken ließ. Sogar als sie schwanger wurde, hielt sie zu ihm. Weigerte sich beharrlich, seinen Namen preiszugeben, nahm dafür Prügel und Entbehrungen in Kauf. Biss die Zähne zusammen, als man ihr Zimmer in eine Gefängniszelle verwandelte, alles Gemütliche und Behagliche entfernte und ihr außer Brot und Milch kaum etwas zu essen brachte. Verglichen damit war ihre Dachkammer nur als luxuriös zu bezeichnen.
    Sie schob eine Hand in die Tasche und tastete nach dem eisernen Schlüssel. Es lag in ihrer Macht, sich die Freiheit zu schenken. Dieses Mal konnte sie selbst über ihr Schicksal bestimmen.
    Laurel wusste nicht zu sagen, wie viel Zeit verstrichen war, als sie von ihrem Fensterplatz aus plötzlich eine kleine Gestalt in einem rosafarbenen Spitzenkleid die Eingangsstufen des Clubs hinunterhopsen sah – Hand in Hand mit einem großen, schlanken schwarz gekleideten Mann. Jack.
    Die beiden gingen zu einer wartenden Kutsche, einem majestätischen, schwarz lackierten Gefährt mit einem Wappen am Türschlag. Brachte er sie etwa weg? Hatte er von Melodys heimlichen Besuchen auf dem Speicher erfahren und daraufhin beschlossen, sie aus ihrer Nähe zu entfernen?
    Gewiss nicht. Wenn irgendwer weggebracht würde, dann eher sie. Das hier war schließlich Melodys Zuhause, so seltsam es sein mochte. Dieser Traum von einem Kinderzimmer, all diese Fremden, die sich um die Gunst des kleinen kapriziösen Mädchens rissen – nein, Jack würde sie nie aus dieser Umgebung reißen. Wahrscheinlich unternahmen sie nur einen Ausflug. Ihre Angst war sicherlich völlig unbegründet.
    Laurel beobachtete die beiden. Sah voller Erstaunen, wie der sonst so schweigsame Jack sich an den sichtlich erfreuten Diener wandte und mit ihm sprach, während Melody auf dem Gehweg neben der Kutsche herumhüpfte. Bis plötzlich etwas auf der anderen Straßenseite ihre Aufmerksamkeit erregte. Einen Moment lang stand sie ganz still da und steckte einen Finger in den Mund.
    Eine böse Vorahnung überkam Laurel, während Jack nichts Außergewöhnliches zu bemerken schien, als er sich nach seiner Tochter umdrehte. Er sah nicht, dass Melody auf dem Sprung war wie ein Kätzchen, das seiner Beute auflauert. Ihre Finger zogen und zerrten am Fenster, das sich jedoch endlos lange nicht öffnen ließ.
    Schon machte Melody den ersten kleinen Schritt auf die Straße hinaus, dann noch einen und wieder einen. Laurel riss verzweifelt an der Verriegelung, um ihr Kind zurückzurufen oder Jack zu warnen.
    Es war zu spät. Melody stellte sich auf die Zehenspitzen und setzte sich endgültig in Bewegung. Lief direkt vor ein herannahendes Pferd, das einen eleganten Einspänner zog. Endlich ließ sich das Fenster öffnen – Laurel holte tief Luft und schrie aus Leibeskräften.
    » Melody! «

Sechzehntes Kapitel
    » Melody! «
    Laurels Schrei wurde vom schrillen Wiehern des scheuenden Pferdes übertönt, und Vorderhufe schwebten gefährlich drohend über Melodys Kopf.
    Dann war Jack da, riss seine Tochter in die Arme, warf sich mit ihr zu Boden und schützte sie mit seinem Körper, bekam dabei selbst einen Tritt des aufgeregten Tieres ab. Zwei Männer kletterten jetzt aus der Strickland-Kutsche und kamen ihm zu Hilfe, vermutlich seine Freunde. Der eine half Jack auf die Beine, während der andere sich um Melody kümmerte und sie nach einer kurzen Umarmung zentimeterweise nach irgendwelchen Verletzungen absuchte.
    Laurel wartete, umklammerte mit ihren Fingern das Fensterbrett. Erst als sie an der Reaktion der Männer erkannte, dass offenbar nichts passiert war, löste sich der Krampf in ihrem Innern, und sie konnte wieder durchatmen.
    Jack stand noch immer neben seiner Kutsche und massierte seine Schulter. Nur ein paar Zentimeter weiter links, und der Huf hätte seinen Kopf getroffen. Laurel verspürte eine

Weitere Kostenlose Bücher