Ein verruchter Lord
stand da, den Rock gerafft, und präsentierte in dem rosa Spitzenstoff die vom Straßendreck verschmutzten Äpfel. » Ich hab sie für dich gesammelt. «
Die Marktfrau bückte sich und nahm die Äpfel einen nach dem anderen zurück und legte sie behutsam in einen Korb, schüttelte dann den Kopf wegen des ruinierten Kleidchens. » Was tät deine alte Tante wohl sagen, wenn sie das sähe, hm? «
Melody beachtete den Schmutz nicht, sondern streckte der Frau die Arme entgegen, und schon saß sie auf deren ausladenden Hüften. » Und jetzt wisch dir die Hände ab, Fräulein, und ich geb dir einen sauberen. «
Während Melody in den saftigen Apfel biss, fing die Frau wieder zu reden an. » Das is Monate her, bestimmt. Wo war das Fräuleinchen denn die ganze Zeit? «
Colin stützte sich gegen den Karren. » Oh, wir haben uns um sie gekümmert. Aber jetzt suchen wir diese Mrs. Pruitt. «
Die Frau sah ihn verständnislos an. Aidan beugte sich vor. » Ihre Pflegemutter. «
» Oh. « Ihre Miene hellte sich auf. » Warum sagen Sie das nich gleich? Ich kenn nämlich ihren Namen nich. « Die Frau runzelte die Stirn und schaute eine Weile vor sich hin. » Ich glaub, sie hat da irgendwo gewohnt. « Die Frau nickte mit dem Kopf in die entsprechende Richtung. » Dürfte nich allzu weit weg sein, denn das Fräulein is die ganze Strecke auf ihren kleinen Beinchen gelaufen. Die Alte konnte sie zuletzt nich mehr tragen. «
Zum ersten Mal ergriff Jack das Wort. » War die Dame krank? «
Die Marktfrau verzog das wettergegerbte Gesicht. » Kann man so sagen. Im Winter war sie noch gut drauf, aber als der Sommer kam, sah sie plötzlich sehr gebrechlich aus. «
Jack blickte die beiden anderen Männer an. » Die Apotheke? «
Colin nickte. » Ja. Dort sollte man ihre Adresse wissen, falls sie Medikamente brauchte. «
Die Marktfrau nickte. » Aye, da ist eine keine zwei Straßen von hier entfernt. Wahrscheinlich is sie dorthin. Kann sein, dass ich sie mal mit einem Päckchen von der Apotheke hab kommen sehen. «
Aidan warf der Frau eine weitere Münze zu. Sie grinste ihn an und entblößte dabei ihre schief stehenden Zähne. » Ich hätt es Ihnen auch umsonst gesagt, mein Schöner, aber trotzdem dank ich Ihnen recht freundlich. «
Sie verabschiedeten sich von der Frau, und Melody winkte ihr von Aidans Hüfte aus ein letztes Mal zu. » Bye-bye und verkauf viele Äpfel. «
Die Frau lachte. » Gott schütze dich, Schätzchen. «
Sie fanden die Apotheke genau an der von der Apfelverkäuferin bezeichneten Stelle. Während Aidan und Colin zögerten, strebte Jack sogleich energisch in den Laden, ohne innezuhalten. Colin holte tief Luft. » Jetzt werden wir es herausfinden, nicht wahr? «
Aidan knirschte mit den Zähnen. » Ob wir es wollen oder nicht. «
Seite an Seite, zwischen sich Melody, folgten sie widerstrebend Jack.
Ob sie es wollten oder nicht.
Siebzehntes Kapitel
Wilberforce war wieder einmal seinem Grundsatz untreu geworden, die Räume der Mieter nicht ohne deren Einwilligung zu betreten, doch er brauchte Gewissheit. Merkwürdiges ging in seinem Reich vor.
Verwirrt stand er im Apartment des Marquis of Strickland und wusste nicht, was er von dem Bild, das sich ihm bot, halten sollte. Der Anblick war überaus verstörend. Die Teppiche fehlten ebenso wie diverses Mobiliar. Waren einfach verschwunden wie durch Zauberei. Wo konnten sie bloß sein? Sicherlich hatte Seine Lordschaft sie nicht außer Haus gegeben, um sie säubern zu lassen – das wüsste er und würde für vorübergehenden Ersatz gesorgt haben.
Zuvor hatte er bereits feststellen müssen, dass in den derzeit unbewohnten Räumen ebenfalls diverse Einrichtungsgegenstände fehlten. Irgendetwas war hier faul, aber was? Er musste das herausfinden, denn im Brown’s war es ungeschriebenes Gesetz, dass alles perfekt zu sein hatte.
Laurel biss sich auf die Unterlippe, als sie ihre Kammer verließ und die Speichertreppe hinunterrannte. Sie presste ihr Ohr an die Tür, die zum Flur des obersten Stockwerks führte, und hielt den Atem an. Kein Laut war zu hören, und so drückte sie langsam die Klinke herunter, um durch den Türspalt zu spähen. Sie sah nichts als einen langen gemusterten Läufer, Tischchen und Vasen.
Sie schlüpfte in den Gang und schlich auf Zehenspitzen zur Treppe. Diesmal wollte sie sich Jacks Räume anschauen, die im vierten Stock lagen. Mit einer Hand hob sie ihre Röcke an, legte die andere auf den Lauf des Treppengeländers und stieg leichtfüßig
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