Ein verruchter Lord
für mich « , sagte sie anzüglich und sarkastisch, doch er war schon froh, dass sie überhaupt mit ihm sprach. Und dass sie ihn nicht wie ein rohes Ei behandelte wie seine Freunde. Die schienen nämlich ständig zu befürchten, er könnte auf die eine oder andere Weise seinem Leben ein Ende zu setzen versuchen. Weshalb er sich langsam vorkam wie der Familientrottel, von dem man nach Ansicht seiner Freunde alles Gefährliche fernhalten musste.
Insofern war das Zusammensein mit Laurel eine wohltuende Ablenkung. Ihr war es dem Anschein nach völlig egal, was er vorhatte. Ja, bisweilen kam es ihm vor, als wünsche sie es sich richtiggehend, dass er sich ein Herz fasste und ernst machte und nicht bloß von seinem Lebensüberdruss redete. In gewisser Weise erfrischend.
» Ich muss dir etwas erzählen. «
Sie schenkte ihm einen gelangweilten Blick. » Gleich jetzt? Ich habe gerade schrecklich viel zu tun. «
Wenn sie noch ihre Zöpfe hätte und er noch derselbe Mann wäre wie früher, dann würde er sie wegen dieser Frechheit an den Haaren ziehen. Aber solch unbefangener Umgang gehörte der Vergangenheit an. Deshalb ignorierte er ihren Einwand und fing einfach an zu reden. » Ich habe dir nie gesagt, was … mit Blakely passiert ist. «
Sie glättete weiter ihr Papier. » Ich weiß Bescheid über Blakely. Er ist im Krieg gefallen. «
» Nein « , sagte Jack schlicht. » Ist er nicht. «
Ihre Hände hörten auf, weiter über das Papier zu streichen. Sie schaute ihn an, sagte jedoch eher gleichmütig » So? « , als sei es ihr nicht wichtig, mehr darüber zu erfahren. Lediglich ihre Körperhaltung verriet ihr Interesse. Er setzte sich auf ihr Bett, stützte die Ellenbogen auf die Knie und erzählte ihr alles. Bei ihr hatte er keinen Ruf zu verteidigen. Schließlich konnte sie kaum noch schlechter von ihm denken, als sie es ohnehin schon tat.
Neunzehntes Kapitel
Die Worte kamen langsam, als müsse er sie in seinem Gedächtnis erst neu verknüpfen. Oder als versuche er, eine Nachricht von einem in tausend Fetzen zerrissenen Zettel neu zusammenzusetzen. Währenddessen begann Laurel wieder über das Seidenpapier zu streichen. Verursachte dabei ein Geräusch, das ihn an das sanft an den Strand brandende Meer erinnerte, rhythmisch und beruhigend.
» Mein Cousin war für den Krieg nicht geschaffen, obwohl er es sich einbildete. Solange wir einfache Soldaten waren, merkte man das noch nicht so stark. Wir spielten und tranken und marschierten und verbrachten die Zeit mit den anderen aus unserer Einheit.
Blakely genoss es, ein einfacher Mann zu sein. Unweigerlich kamen den Offizieren jedoch Gerüchte über seinen Reichtum und seinen Stand zu Ohren. Vielleicht hatte er selbst hier und da ein Wort fallen lassen – er nahm den Mund gerne voll, besonders bei einem Zechgelage. Der künftige Marquis of Strickland. Natürlich wurde er trotz fehlender militärischer Ausbildung rasch befördert – man wollte sich die Gunst dieses später einflussreichen Titelträgers sichern und übertrug ihm ein Truppenkommando, das ihn völlig überforderte. «
Jack schwieg eine Zeit lang. Der Raum war ruhig und still, nur Laurels Hände strichen über das Papier. Jack hätte sich am liebsten zurück aufs Bett gelegt und sich von ihr trösten lassen, doch dazu war sie diesmal bestimmt nicht bereit. Außerdem durfte er nicht erneut vor der Wahrheit fliehen, musste sich endlich von der Seele reden, was er noch keinem offenbart hatte.
» Er war kein Feigling, mein Cousin, aber naiv und unbedacht. Er neigte dazu, ohne Nachdenken zu handeln. Einem solchen Mann hätte man nie ein Kommando anvertrauen dürfen. «
Er hob die Hände ans Gesicht und presste sie kurz gegen seine Augen, als müsse er Tränen zurückhalten. Doch seine Lider brannten nur, denn Jack hatte keine Tränen mehr. Als er die Hände wieder herunternahm und sie anstarrte, wunderte er sich erneut, dass kein Blut an ihnen klebte.
» Seine Männer hielten loyal zu ihm. Mich eingeschlossen. Wir folgten ihm, glaubten an ihn, berieten ihn so gut wir konnten. Blakely war gewiss nicht bewusst leichtsinnig und wollte uns nicht unnötig in Lebensgefahr bringen. Das nicht. Es war nur so, dass er ganz einfach die Situation nicht überblickte und völlig falsch einschätzte. Andere von uns erkannten die Falle sehr wohl. «
Er seufzte und blies seinen Atem aus, als entließe er einen dunklen Geist, bevor er weitersprach. » Wir wussten uns nicht anders zu helfen und meuterten. « Er schloss
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