Ein Versprechen aus Afrika
Clark damit beschäftigt, den letzten Schnee vor seinem Geschäft wegzuschaufeln, als ein Auto, dessen Farbe die Zeugen als schwarz bezeichneten, mit großer Geschwindigkeit angebraust kam. Kam es auf einer Eisplatte zum Rutschen? Jedenfalls versuchte der Fahrer ein Ausweichmanöver und erfasste dabei den armen Mr Clark. Während das Auto weiterfuhr, betteten Passanten den bewusstlosen Süßwarenhändler auf das Trottoir. Er hatte eine schwere Kopfverletzung erlitten und blutete stark.
Emily Clark stürzte voller Schrecken aus dem Laden. Ein paar Minuten später stieg sie zu ihrem Mann, der immer noch bewusstlos war, in den Krankenwagen.
20. Mai 1963. Nach einem Monat Klinikaufenthalt kehrte Peter Clark nach Hause zurück. Von einem Augenblick zum anderen hatte sich sein ganzes Leben verändert. Er war von der Welt der normalen Leute in die der Behinderten gewechselt. Das Schädeltrauma, das durch den Sturz hervorgerufen worden war, war nicht weiter dramatisch, hatte aber eine fatale Folge. Als Peter Clark das Bewusstsein wiedererlangt hatte, hörte er die Stimme Emilys und die des Arztes. Das war alles. Er konnte sie nicht sehen, weil er erblindet war.
Der Arzt unterzog ihn einer Untersuchung nach der anderen und versuchte, ihn zu beruhigen. Er erklärte ihm, er habe keine Augenverletzung und keinen irreversiblen Gehirnschaden. Das Augenlicht könne durchaus zurückkehren. Doch wie hätten solche Worte Peter aus seiner Verzweiflung reißen können? Sie bedeuteten nämlich, dass genauso gut das Gegenteil eintreten konnte, nämlich, dass er den Rest seines Lebens blind sein würde.
Im Augenblick war Peter Clark allein. Emily war im Laden; schließlich musste ja der Lebensunterhalt verdient werden. Er saß, wie erstarrt, auf seinem Stuhl und wagte nicht, sich zu rühren. Wohin sollte er auch gehen? Und was sollte er tun, außer überall anzustoßen?
Er musste nur warten. Denn er erwartete jemanden. Gleich sollte der Versicherungsdetektiv vorbeikommen. Wie viel würde man ihm ausbezahlen? Fünfzigtausend Dollar, wenn er sich recht erinnerte. Wie lachhaft das war! Nicht einmal eine Million könnte einen solchen Schaden wieder gutmachen. Das Augenlicht ist unbezahlbar. Doch er riss sich zusammen.
Er durfte nicht egoistisch sein. Es würde Emilys Leben erleichtern, die im Augenblick den Haushalt allein erledigen und sich zudem um ihn kümmern musste.
Neunzehn Uhr. Es läutete an der Tür. Emily, die vom Laden nach Hause gekommen war, öffnete. Ein kleingewachsener Mann um die dreißig, mit Hut und korrektem Anzug, betrat die Wohnung. Sein Vorstadtakzent war allerdings sehr unangenehm.
»Mrs Clark? Ich bin Richard Lemmon, Detektiv der Versicherungsgesellschaft. Ist Ihr Mann da?«
»Wo, denken Sie, sollte er sonst sein?«
Richard Lemmon betrat, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, das Wohnzimmer und ging mit ausgestreckter Hand auf Peter Clark zu. Natürlich reagierte der unglückselige Süßwarenhändler nicht, was bei dem Versicherungsmann eine verärgerte Grimasse hervorrief und bei Emily einen entrüsteten Schrei auslöste.
»Aber, was tun Sie denn da?«
»Meinen Job...«
»Sie haben versucht, meinem Mann eine Falle zu stellen, zu prüfen, ob...«
Peter Clark mischte sich mit ruhiger Stimme in das Gespräch ein: »Wann wird die Gesellschaft zahlen?« Richard Lemmon musterte den Süßwarenhändler nachdenklich. Der Detektiv war ganz entschieden ein äußerst unangenehmer Zeitgenosse. Er hatte ein volles, rosiges Gesicht, das nur so strotzte vor Selbstzufriedenheit, und zwei kleine, unerbittlich forschende Augen, die an die eines Raubvogels erinnerten. »Nicht so schnell. Das Geld ist noch nicht in Ihren Händen. Deswegen bin ich ja hier.«
»Wieso das? Die Untersuchungen, die man in der Klinik an mir vorgenommen hat, beweisen doch, dass ich blind bin.«
Richard Lemmon zog unvermittelt eine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche und streckte sie Peter Clark hin, was einen neuerlichen entrüsteten Schrei von Emily zur Folge hatte. Da der Süßwarenhändler keinerlei Reaktion zeigte, steckte Lemmon das Päckchen wutentbrannt wieder in seine Tasche.
»Ich habe die Untersuchungen gesehen. Ich bezweifle sie nicht, ganz im Gegenteil. Sie besagen, dass Sie jederzeit Ihr Augenlicht zurückgewinnen können.«
»Ich habe mir nur das Eine gemerkt, dass ich den Rest meines Lebens blind sein kann.«
»Ich weiß. Gemäß Vertrag müssen wir Ihnen sechs Monate nach Ihrem Unfall, also am 15. Oktober 1963 gegen
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