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Ein Versprechen aus Afrika

Ein Versprechen aus Afrika

Titel: Ein Versprechen aus Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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würde die Krönung seiner Karriere sein.
    Er hatte nämlich vor, den Eiffelturm zu verkaufen.
     
    Wenn man das Glück hat, im Leben gut gestellt zu sein, scheint es, als ob das Schicksal vorbestimmt ist.
    Und genau das war der Fall bei Victor Lustig. Er kam 1890 in Hostinne in Österreich-Ungarn als Sohn wohlhabender Eltern zur Welt. Sein Vater, ein Großindustrieller, bekleidete in der kleinen Stadt auch das Amt des Bürgermeisters. Der junge Victor genoss eine hervorragende Erziehung in den namhaftesten Schulen und rechtfertigte im Übrigen durchaus die Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, auf wunderbare Weise. Erstaunlich mühelos lernte er Französisch und Englisch, war zweifellos begabt für alle literarischen Fächer, und seine Professoren, die voll des Lobes über ihn waren, sagten eines Tages zu seinen Eltern: »Ihr Sohn hat das Zeug, ein guter Anwalt zu werden.«
    Doch eine Kleinigkeit sollte alles ändern, nämlich Victor Lustig selbst. Er war gerade neunzehn, hatte soeben seine Examina glänzend bestanden und verspürte ebenfalls den Wunsch, Erfolg zu haben. Allerdings keineswegs so, wie es sich seine Professoren und Eltern vorgestellt hatten. Er wollte sofort Erfolg haben, nicht erst in zehn, zwanzig Jahren, nein, jetzt sofort. Ohne jemanden zu informieren, reiste er nach Paris. Er hatte eine klare Vorstellung: Er wollte mit allen Mitteln reich werden.
    Es war 1909 im Paris der Belle Epoque. Die französische Hauptstadt war die Traumstadt für Wagemutige, besonders für einen Menschen wie Victor, jung, gut aussehend und ohne allzu viele Skrupel.
    Mit seinen guten Manieren, seiner hoch gewachsenen Gestalt, seinem prachtvollen blonden Haar und seinem leicht ausländischen Akzent erregte Victor Lustig schnell Aufsehen, vor allem bei den Frauen. Deshalb entschied er sich, den Beruf zu ergreifen, der ihm am schnellsten ein Vermögen einbringen würde: die Zuhälterei.
    In der Rue de Lappe war seine aristokratische Erscheinung wohlbekannt. Doch ein unangenehmer Vorfall ließ Victor Lustig schnell erkennen, dass er für dieses Gewerbe nicht geeignet war. Es fehlte ihm eine wesentliche Eigenschaft, die Brutalität. Eines Tages zerschnitt ihm ein übel wollender Konkurrent das Gesicht. Victor gab auf. Er kehrte Paris den Rücken, ohne sich von seinen beiden Schützlingen, der Rothaarigen und der Brünetten, zu verabschieden, um anderswo sein Glück zu versuchen.
    Schnell fand er das Ambiente und die Tätigkeit, die ihm viel mehr zusagten: die großen Passagierschiffe und das Spiel. In der gedämpften und luxuriösen Atmosphäre der Salons der ersten Klasse fühlte er sich weitaus behaglicher als auf den hektischen Straßen von Paris. Er pendelte zwischen Le Havre und New York hin und her und lud seine Reisegefährten zum Pokerspiel ein. Er spielte gut, mogelte ein wenig und gewann tausend bis zweitausend Dollar pro Überfahrt.
    Kurzum, es war ein angenehmes, bequemes Leben ohne großes Risiko. Es hätte noch lange so weitergehen können. Doch bei der zehnten Überfahrt hatte Victor Lustig eine unerwartete Begegnung, die sein Leben radikal verändern sollte.
    Eines Abends, als er gerade auf Kosten eines Amerikaners ein paar hundert Dollar gewonnen hatte, bemerkte er, wie sich ihm ein herrschaftlich aussehender Herr mittleren Alters näherte. Dieser Herr stellte sich höflich vor.
    »Ich heiße Nicky Arnstein. Mit großem Interesse habe ich Sie beobachtet, junger Mann. Sie sind begabt, aber Sie benötigen ein paar Ratschläge.«
    Bevor Lustig irgendetwas erwidern konnte, dirigierte ihn der Mann zur Bar und sie fingen an, sich zu unterhalten.
    Nicky Arnstein setzte sein Glas ab.
    »Weißt du, Victor«, nach dem dritten Whisky nannten sie sich beim Vornamen und duzten sich, »wir machen beide das Gleiche. Auch ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit Poker. Doch das Wichtigste dabei ist nicht, dass man gut spielen oder gut mogeln kann. Das Wichtigste ist, dass man den anderen in eine Lage versetzt, für die er sich nur selbst verantwortlich machen kann, und er sich sagt: >Ich bin schuld.< Vergiss das nie, Victor. Es ist wichtig, dass dein Opfer nichts tun kann.«
    Victor verstand nicht recht. Doch Nicky Arnstein hatte sich bereits erhoben.
    »Siehst du den Mann dort, der ganz allein am Tisch sitzt? Das ist ein Großindustrieller aus Boston. Ich habe ihn seit Beginn der Reise im Auge. Schau jetzt zu, wie man es macht.«
    Arnstein stellte sich dem Industriellen vor, der trübsinnig in sein Weinglas starrte.

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