Ein Versprechen aus Afrika
wohl getäuscht. Er, Lustig, würde ihn beim Wort nehmen und den Eiffelturm tatsächlich verkaufen.
Wenn er erst einmal etwas beschlossen hatte, verlor Lustig keine Zeit mehr. Als er sich vor Ort umgesehen hatte, um den Gegenstand seines zukünftigen Geschäfts in Augenschein zu nehmen, ging er zum ernsteren Teil über. Auf einem Briefbogen mit dem Briefkopf der Stadt Paris, den ihm ein befreundeter Fälscher besorgt hatte, lud er die fünf namhaftesten französischen Schrotthändler ins Crillon ein, um mit ihnen »eine Angelegenheit zu besprechen, die sie interessieren dürfte«.
Zur vereinbarten Zeit fanden sich die Angeschriebenen auch alle in einem Nebenzimmer des Hotels ein, wo ihnen Cocktails serviert wurden. Victor Lustig ließ sie ganz bewusst warten, um ihre Ungeduld und ihre Neugier zu steigern. Dann endlich hatte er seinen theatralischen Auftritt.
»Meine Herren, Sie wissen, welche Probleme die Stadt zurzeit mit dem bedeutendsten Denkmal von Paris hat. Ich meine den Eiffelturm.«
Seine fünf Gesprächspartner blickten ihn erstaunt an. »Meine Herren, auf ausdrückliches Ersuchen des Präsidenten der Republik, Herrn Gaston Doumergue, und des Präsidenten des Rats bitte ich Sie, das Geheimnis, das ich Ihnen jetzt enthüllen werde, für sich zu behalten. Die Stadt Paris hat beschlossen, den Eiffelturm zu verkaufen, und hat mich als Auktionator bestellt. Die sieben Millionen Eisentonnen des Monuments gehen an den Meistbietenden. Inzwischen bin ich befugt, Sie dort mit der Lage vertraut zu machen. Doch bitte ich Sie natürlich um äußerste Diskretion.«
Die Besichtigung des Eiffelturms in Begleitung der Schrotthändler war der Höhepunkt seiner Laufbahn. Victor Lustig war viel zu gerissen, um nicht zu bedenken, dass die Interessenten Zweifel haben könnten. Die Gutgläubigkeit der Menschen hat ihre Grenzen. Um sie zu überzeugen, gab es nur eine Möglichkeit: noch einen Schritt weiterzugehen und sie zu bluffen. In Begleitung seiner Gäste ging Victor an der Schlange der Touristen vorbei und steuerte direkt auf den Schalter zu. Dort hielt er dem Angestellten eine Karte mit der Trikolore hin und sagte gebieterisch: »Diese Herren gehören zu mir.«
Der Angestellte ließ sie alle durch. Wie konnten die Schrotthändler nach dieser Szene noch zweifeln, dass er hochoffiziell von der Regierung beauftragt worden war, den Eiffelturm zu verkaufen?
Und tatsächlich erhielt Victor Lustig acht Tage später das erste Angebot für den Aufkauf der kostbaren Eisentonnen. Es stammte von dem Schrotthändler Poisson, einem Mann mit hoher Reputation. Victor beschloss, sein Angebot anzunehmen, ohne noch das der anderen Bieter abzuwarten. Man darf nie zu weit gehen. Poisson (»poisson« heißt auf Deutsch »Fisch«) war schon von seinem Namen her prädestiniert, weil er ihm ins Netz gehen sollte. Infolgedessen sprach auch nur Monsieur Poisson erneut im Hotel Crillon vor.
Es wäre dieser kleinen Geschichte wegen interessant zu wissen, wie hoch die vorgeschlagene Summe gewesen war und wie hoch wohl ein Schrotthändler das berühmteste Pariser Denkmal einschätzte, das aus ein paar Eisenträgern und Schraubenbolzen besteht. Leider ist das genauso wenig bekannt wie die Höhe des Schmiergelds, das Poisson Victor Lustig bezahlte.
Man weiß lediglich, dass Victor Lustig noch am selben Tag Paris verlassen hat und dass der Schrotthändler es nicht gewagt hatte, Strafanzeige zu erstatten. Er hatte viel zu viel Angst, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Dennoch hat sich die Geschichte herumgesprochen. Der bedauernswerte Poisson wurde zum Gespött von ganz Paris und Victor Lustig war mit einem einzigen Coup in den Olymp der genialen Betrüger aufgestiegen.
Victor Lustig ist sein ganzes Leben lang seinem Prinzip treu geblieben. In den Vereinigten Staaten, die er als festen Wohnsitz gewählt hatte, wurde er achtundvierzig Mal festgenommen. Siebenundvierzig Mal blieb er nicht länger als zwei Tage im Gefängnis und dies einzig und allein deswegen, weil sein Opfer die Klage zurückgezogen hatte, da es Angst vor einem Prozess hatte, in dem es eine unsympathische oder gar lächerliche Rolle hätte spielen müssen.
Beim achtundvierzigsten Mal befand sich Lustig in Havanna in Begleitung von Estelle Sweeny, einer achtzehnjährigen Schauspielerin. Da er wieder einmal knapp bei Kasse war, musste er sich auf seine Weise Geld beschaffen. Er gab sich als Hollywoodproduzent aus und es gelang ihm, einem großen Händler in New York
Weitere Kostenlose Bücher