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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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festgestellt, dass sie recht hatte.
    »Natürlich, Schatz«, sagte ihre Mutter. »Jederzeit, das weißt du doch.« Sie klang, als würde sie sich freuen, von ihr zu hören, und wirkte gleichzeitig irgendwie zerstreut.
    Ginny fragte sich, was da auf Sizilien los war. Ihre Mutter klang auf jeden Fall anders als sonst.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Also holte Ginny noch einmal tief Luft und erzählte es ihr. Sie gestand ihr, dass sie absichtlich durch die Prüfungen gerasselt war, damit sie nicht zur Uni gehen musste. Sie erzählte ihr von ihrer Angst, schwanger zu sein, von ihrem Plan, nach Australien zu gehen, und von Jayne.
    Kurz blieb es still. Ginny wusste, dass sie ihrer Mutter eine ganze Menge auf einmal zugemutet hatte. Aber sie hatte ihrer Mutter immer nahegestanden. Bis … Sie wusste nicht genau, wann das aufgehört hatte. Und deswegen hatte ihre Mutter auch das Recht zu erfahren, was los war.
    »Warum brauchst du eine Psychotherapeutin?«, fragte Tess schließlich mit verzagter Stimme.
    Also erzählte Ginny ihr von der Kugel.
    Ihr Vater hatte vorgeschlagen, dass sie mit jemandem redete. Er hatte es vorgeschlagen, nachdem sie einen ganzen Tag zusammen in der Pride Bay verbracht und nicht viel mehr getan hatten, als aufs Meer zu schauen und Eis zu essen. Doch auf der Rückfahrt war sie ausgeflippt.
    Es kam aus dem Nichts heraus. Die Kugel stieg höher.
    »Das war ein klasse Tag«, sagte er.
    »Yeah«, gab sie zurück. »Aber wo warst du?«
    »Was?«
    »Wo warst du bei meinem Sportfest?«
    »Ähem …«
    »Als die Väter Sackhüpfen gemacht haben und ich beim Eierlaufen hingefallen bin?«
    Seine Hände umklammerten das Steuer. Er fuhr links heran. »Ginny …«
    »Wo warst du in der Nacht, als der Hurrikan kam?« Ihre Stimme wurde lauter und schriller, und sie hörte die Emotionen darunter wie die türkisfarbene Unterseite einer Surfwelle. »Als er einen Baum umgeknickt hat und der in das Schlafzimmerfenster gekracht ist und Mum geschrien hat und wir dachten, die Welt geht unter?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wo war der Weihnachtsmann?« Ihre Stimme war jetzt nur noch Flüstern.
    Er gab keine Antwort, sondern senkte den Blick.
    Sie boxte gegen seine Schulter. »Wo warst du, als ich Windpocken hatte? Und Albträume und Prüfungen und Lebensmittelvergiftung, und als eine Spinne in meinem Zimmer war …« Ihr versagte die Stimme, und endlich sah er auf.
    »Und Mum musste den Nachbarn holen, um sie wegzumachen.« Sie seufzte. »Wo warst du?« Sie lehnte sich zurück und sackte erschöpft auf dem Beifahrersitz zusammen.
    »Es tut mir leid, Ginny«, sagte er. »Wirklich.« Er legte ihr eine Hand auf den Arm und wischte sich etwas, das vielleicht eine Träne war, aus dem Auge. Dann startete er den VW-Bus wieder.
    Als er sie bei Nonna absetzte, stieg er aus und umarmte sie. »Wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte …«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    Am nächsten Tag gab er ihr eine Visitenkarte. Jayne Cartwright. Psychoanalytikerin , las sie.
    »Was soll das?«, fragte sie ihn und hielt die Karte auf Armeslänge von sich weg, als könnte sie beißen. »Ich dachte, du möchtest vielleicht mit jemandem reden«, erklärte er. »Das könnte dir helfen.« Ginny wollte ihn zuerst anschnauzen, doch dann überlegte sie, dass er recht haben könnte. »Ich kann dir einen Termin machen«, sagte er. »Und die Rechnung übernehme ich natürlich auch.«
    »Eine Kugel?«, fragte ihre Mutter.
    »Jayne denkt, die Kugel nährt sich von meinem Ärger«, erklärte Ginny ihr. »Von Druck, Verdrängung, Verwirrung, Nervosität, echt von allem.«
    »Ach, Ginny.« Ihre Mutter klang erschüttert. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass es dir so schlecht ging.«
    Ginny hatte es auch nicht gewusst. Es wurde ihr erst jetzt klar, weil es ihr so viel besser ging. In den drei Sitzungen bei Jayne hatte sie geredet und geatmet und geschrieben, Letzteres oft aus der Perspektive ihres Vaters oder ihrer Mutter, was komisch war. Sie hatte gezeichnet und visualisiert und imaginiert. Außerdem hatte sie mit dem Rauchen aufgehört. Und die Kugel …
    »Zuerst ist sie in eine Ecke gerollt«, erklärte Ginny. »Als ob sie sich schämte, und ihre Stimme wurde ein bisschen dumpf und leise.«
    »Und jetzt?«, fragte ihre Mutter.
    »Sie hält sich immer noch versteckt. Ich glaube …« Sie zögerte und hatte fast Angst, es auszusprechen, »… sie ist weg.«
    »Schön. Großartig«, antwortete ihre Mutter, aber sie klang wie vor den Kopf geschlagen.
    Ginny war sehr

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